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POPMAGAZIN-Interview mit LOTTE

LOTTE ist Teil der VOX-Shpw "Sing meinen Song". (c) Danny Jungslund
LOTTE ist Teil der VOX-Shpw "Sing meinen Song". (c) Danny Jungslund

POPMAGAZIN: „Danke für deine Zeit Lotte! Fangen wir direkt mit „Sing meinen Song“ an. Ist es für dich etwas Intimes, wenn jemand einen Song von dir nachsingt?“

LOTTE: „Es ist unfassbar intensiv gewesen bei „Sing meinen Song“! Also ich kenne das natürlich schon, wenn man durch YouTube scrollt und dann sieht man, dass jemand ein Cover von einem eigenen Song gemacht hat. Dann ist das immer sehr besonders. Aber da zu sitzen, in Südafrika und ein Künstler oder eine Künstlerin, die man selber total bewundert, singt dein eigenes Lied. Und hat auch eine eigene Geschichte dazu. Das ist so intensiv. Also ich glaube man sieht das, wenn man die Sendung schaut. Wie emotional das für uns war.“

 

POPMAGAZIN: „Songs nachzusingen ist ja nicht für jeden etwas. Gibt es einen Song an den du dich noch nie rangetraut hast? Und wenn ja, warum?“

LOTTE: „Bei „Sing meinen Song“ waren ja viele verschiedene Genres dabei. Floor Jansen von Nightwish zum Beispiel kommt aus dem Metal, damit habe ich ehrlicherweise bisher wenig anfangen können. Da war die Herausforderung echt riesig, mich an einen Song von ihr zu wagen. Zu sagen: „Hey, wie kann ich diesen Song arrangieren, wie kann ich ihn singen, wie kann ich ihn performen? Damit er zu mir passt und gleichzeitig auch ihr gefällt.“ Das war auf jeden Fall die größte Herausforderung.“

 

POPMAGAZIN: „Bist du selbst Fan von diesem Format? Hast du es davor auch schon geschaut? Und wenn ja, von wem warst du noch mehr Fan durch die Sendung?“

LOTTE: „(lacht) Also ich habe das Format schon öfter gesehen. „Sing meinen Song“ läuft jedes Jahr und man kennt immer irgendwen, der mitmacht. Ich finde es auch total schön zu sehen, was Künstler*innen aus anderen Songs machen. Ich wollte immer schon Teil davon sein, aber freu mich besonders, dass es genau dieses Jahr geklappt hat. Erstens: ich bin Fan von unserer Gruppe. Was für eine Macht an Künstlern. Und zweitens: es ist ein guter Zeitpunkt, weil ich gerade jetzt ein Album herausbringe, das so ehrlich und krass und direkt ist, wie keines davor. Ich glaube „Sing meinen Song“ ist der ideale Ort für genau solche Ehrlichkeit und echte Geschichten.“

 

POPMAGAZIN: „Vielleicht eine banale Frage: Was bedeutet Ehrlichkeit für dich?“

LOTTE: „Ehrlichkeit bedeutet für mich, sich nicht verstecken zu wollen. Für das was einen zu dem gemacht hat der oder die man heute ist. Also offen zu sein mit Dingen, die einen geprägt haben. Ehrlichkeit in der Musik bedeutet für mich auch ein bisschen zu ignorieren was andere Leute gut finden. Oder nicht gut finden. Oder einfach zu sagen: „Nein, ich mag das. Ich mag, dass es so klingt. Ich mag diesen Text, ich mag diese Melodie. Und das ist meine Musik.“ Ehrlichkeit hat auch ganz viel mit Selbstliebe zu tun. Ich glaube man muss sich wirklich selbst mögen, um das auch nach außen tragen zu können was einen ausmacht.“

 

POPMAGAZIN: „Wie attraktiv findest du dich von 0 bis 10?“

LOTTE: „(lacht) Es gibt solche und solche Tage. Manchmal sieht man in den Spiegel und denkt: „Achgott, geh weg!“ Und dann gibt es Tage an denen man sich schön findet. In Punkto Selbstliebe war dieses Album eine Reise zu mir selber. Ich spreche darin Themen an, die man üblicherweise ehr für sich behält. Ich erzähle von Panikattacken, toxischen Beziehungen. Ich erzähle davon, dass es mir so schwer fällt einfach anzukommen und zufrieden zu sein im Leben. Indem ich all das offen lege, lern ich auch selbst immer mehr, mich so zu mögen, wie ich bin. Ehrlicherweise bin ich jetzt an einem Punkt wo ich sagen kann: „Ich bin eine verdammt coole Frau! Ich bin nicht perfekt. Aber für mich, mit mir zu leben - ist eine 10 von 10.“ (lacht)“

 

POPMAGAZIN: „Yeah! Das ist cool! Vielleicht eine persönliche Frage. Ich habe dich fotografiert. 2019, Berlin, Silvester, Brandenburger Tor. Ein paar Monate später stehst du in einem Club in Wien, im WUK. Und hast gepostet: „Kleiner Laden, aber irgendwie trotzdem saucool“. So sinngemäß. Die erste Frage: der Unterschied zwischen Mini-Publikum und Mega-Publikum? Und andererseits: ist deine Musik überhaupt skalierbar. Also kann man sagen: „Es geht genauso gut bei jeder Art und Größe von Publikum?““

LOTTE: „Gute Frage… Also von vorne herein hab ich meine Musik als Ventil für meine eigenen Gefühle genutzt. Ich schreibe ja autobiografisch. Das heißt: ich habe das gebraucht, um verarbeiten zu können was ich erlebe. Musik war sonst nie Mittel zum Zweck. Nie ein Weg zum Erfolg. Deshalb messe ich die Schönheit und Qualität meiner Musik nicht daran wie viele Menschen sie hören. Ob da 300 Leute zum Konzert kommen, 30000 oder 3. Am Ende muss es sich für mich richtig anfühlen. Ich will meine Geschichte so erzählen, wie sie echt ist. Ob ich jetzt am Brandenburger Tor stehe und vor einer Million Menschen singe, oder in einem kleinen Club in Wien mit einem Publikum, das krass durchdreht. Das kann man nicht vergleichen und die Vielfältigkeit ist das Schönste daran.“

 

POPMAGAZIN: „Reisen wir kurz gemeinsam in deine Vergangenheit. Was würdest du einer 10-jährigen Lotte sagen?“

LOTTE: „Ich habe mir immer sehr viele Gedanken darüber gemacht, was andere brauchen und wollen von mir. Mir war es immer wichtig alle Menschen glücklich zu machen. Mit der Zeit habe ich gelernt, meine Grenzen zu ziehen und zu sagen: „Nein, ich brauch jetzt das. Nein, Stopp. So weit und nicht weiter.“ Auf der einen Seite würde ich meiner 10-jährigen Lotte also sagen: „Du darfst auch manchmal was einfach nur für dich machen.“ Und gleichzeitig bin ich aber auch dankbar für den ganzen Lernprozess. Weil das Lernen, Hinfallen, Aufstehen irgendwo auch echt Spaß gemacht hat. Sonst wäre das Leben ja auch langweilig“ 

 

POPMAGAZIN: „Du hast anfangs vermutlich Probleme gehabt auf die Bühne zu gehen. Einfach dazustehen und zu performen. Wie hast du diesen Schweinehund überwunden?“

LOTTE: „Ich habe aus irgendeinem Grund einfach weitergemacht. (lacht) Ich weiß nicht warum. Immer wieder hochzugehen, obwohl ich so aufgeregt war. Aber irgendwas hat mich hingezogen. Irgendwie hatte es etwas Schönes. Dann irgendwann gab es einen Moment, relativ spät. So mit 17, 18. Da habe ich nach meinen damaligen englischsprachigen Songs, das erste Mal meinen ersten deutschsprachigen Song gespielt… Ich habe richtig gemerkt, wie mit diesem Lied der ganze Raum still wurde. Wie Melodie und Worte, durch jede Materie hindurch, in den Herzen angekommen sind. Und der Raum war still. Da war mir klar: „Ok krass, das ist magisch! Das ist anders!“ Und für einen Moment konnten alle kurz die Zeit vergessen, es war egal was was gestern war, was morgen sein wird, wir waren halt so zeitlos. Und dieser Moment… man kann das nicht mit Vielem vergleichen. Vielleicht mit Rausch, mit Sex oder mit einer Hochzeit, keine Ahnung. Aber das war unvergesslich. Und das wollte ich dann immer wieder. (lacht)“

 

POPMAGAZIN: „Wenn du schon das Wort Rausch erwähnst. Was war der schlimmste Rausch den du hattest. Ganz egal mit welchen Substanzen?“

LOTTE: „Ich singe darüber tatsächlich in einem Lied „DOPAMIN“. Der Rausch der Liebe, der Sehnsucht zu jemandem, auch wenn einem die andere Person eigentlich nicht guttut. Das habe ich so einmal erlebt, damals war ich echt wie berauscht von einer Person, die es einfach geschafft hat, dass mich wie über den Wolken, wie schwerelos gefühlt hab. Obwohl wir uns nicht gut getan haben, wollte ich immer noch mehr Zeit mit dieser Person verbringen… so ist das wohl mit dem Rausch. Super schön und super ungesund.“

 

POPMAGAZIN: „Heftig! Es geht mir um die Songzeilen: „Mit jedem ihrer Gläser falle ich ein wenig tiefer in mich rein.“ Was meinst du damit?“

LOTTE: „Das ist aus einem meiner Songs „Wer wir geworden sind“. Mit dieser Zeile meine ich einen dieser Momente, wo man eigentlich unter Menschen ist. Doch plötzlich verliert man jedes Gemeinschaftsgefühl und die Perspektive. Plötzlich fühlt man sich in einem Raum voller Menschen komplett alleine und fällt in eine Dunkelheit. Ich hab diese Situation früher öfters erlebt und wusste einfach nicht woher es kam. Rückblickend schätze ich, dass ich manchmal einfach ehr einen ruhigen Abend gebraucht hätte und mein Kopf keine Lust auf Feiern hatte… und sich deshalb von alleine ausgeklinkt hat.

 

POPMAGAZIN: „Wahnsinn… Vielleicht bleiben wir bei diesem Song. „Du bringst Schwere in mein Leben“. Wie lange darf eine Person, die solche Schwere mitbringt, bei dir im Leben sein?“

LOTTE: „Das ist auf jeden Fall eine Sache, die ich gerade lernen muss. Auf sich selbst aufzupassen. Denn ich bin ein sehr feinfühliger Mensch, super empathisch und kann das auch nicht so richtig abschalten. Ich gehe in der Regel immer ein Stück zu weit, um für jemanden da zu sein und vergesse dabei mich selbst. Tatsächlich wird es darüber bei „Sing meinen Song“ ein Lied geben, aus meinem neuen Album, wo es genau darum geht. Ich glaube ich gehe auf jeden Fall immer zu weit, für die Person die mir wichtig ist.“

 

POPMAGAZIN: „„Verdammt ich liebe das Chaos, das du kreierst.“ Aus dem Song „Schau mich nicht so an“. Wieviel Chaos gibt es in deinem Leben?“

LOTTE: „Das Chaos ist riesig und ich liebe es. Aber ich bin auch der Meinung, dass aus Chaos Gutes entsteht. Griechische Mythologie oder? Am Anfang war das Chaos und daraus sind dann die Götter entstanden. Und so ist es bei mir auch. Wenn bei mir volles Chaos ist kannst Du darauf zählen, dass in den nächsten 5 Monate ein gutes Album entstehen wird.“

 

POPMAGAZIN: „Um die Song-Seziererei abzuschließen: „Das nächste Mal wenn Liebe kommt, dann will ich, dass sie bleibt.“ Aus dem Song „Wenn Liebe kommt.“ Soll sie schon bleiben?“

LOTTE: „Ja, ich glaube schon. Ich brauche immer so ein bisschen Anlauf, mich auf jemanden einzulassen. Ich bin ein kleiner Schisser und ich bin auch richtig oft weggerannt, wenn ich jemanden kennengelernt habe den ich eigentlich gut fand. Dann war ich gleich: „Das ist mir eigentlich doch zu viel. Ich will eigentlich Karriere machen, ich will noch unterwegs sein, ich will noch nicht ankommen.“ Ich merke aber so langsam, dass es am Schönsten ist, wenn man alle diese Momente, auch die auf Tour, mit jemandem teilen kann.“

 

POPMAGAZIN: „Du tanzt richtig gerne. Wie gut tanzt du? Zu welchem Song hast du am öftesten getanzt in deinem Leben?“

LOTTE: „Ich tanze sehr gerne und gerne viel, vor allem auf der Bühne. Ob ich gut tanze, das liegt wohl im Auge des Betrachters, ich habs nie richtig gelernt. Aber ich tanze sehr gerne. Und zu welchem Song habe ich am meisten getanzt? Wir haben den Song „Pauken“ von meinem ersten Album in eine Dance-Version verwandelt. Das spielen wir auf Tour und darauf hab ich wohl im meinem Leben am meisten getanzt. 

 

POPMAGAZIN: „Berühmte oder weniger berühmte Städte, Länder etc. die mit dir zu tun haben: Ravensburg, USA, Hamburg, Innsbruck, Berlin. Wo ist deine Heimat?“

LOTTE: „Ich glaube ich habe losgelassen von dem Gedanken, dass meine Heimat so ein Ort sein muss. Wenn ich mich auf einen Ort festlegen müsste, wäre es Ravensburg. Meine Familie wohnt da. Da bin ich aufgewachsen. Aber sonst ist meine Heimat da, wo mein Herz gerade ist. Entweder bei mir, der Musik oder bei der Person, die ich liebe.“

 

POPMAGAZIN: „Wer sagt noch Charlotte zu dir?“

LOTTE: „Wenn, dann so ein offizielles Amt oder so. Eher Lotte, Lotti, Charly. Charlotte habe ich lange nicht mehr gehört. (lacht)“

 

POPMAGAZIN: „Du findest 1000 € beim Brandenburger Tor. Was machst du mit diesen 1000 €?“

LOTTE: „Wenn ich etwas finden würde, würde ich es für etwas Gutes ausgeben. Ich glaube jetzt im Moment würde ich es spenden.“

 

POPMAGAZIN: „Danke für das Interview und bis bald!“

LOTTE: „Tausend Dank!“

 

STECKBRIEF: LOTTE


Mein Lieblingsessen: 
Maultaschen.

Mein Lieblingsgetränk: Primitivo, das ist ein Rotwein.

Das gibt es bei mir immer im Kühlschrank: Hafermilch für den Kaffee.

 

Interview / Fragen / Recherche: 

POPMAGAZIN.at / Hans Juergen Gernot Miggl, hans-juergen.miggl@popmagazin.at

Produktion / Transkription / Text:

POPMAGAZIN.at / Jelena Petener, jelena.petener@popmagazin.at; 02.05.2022