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Interview mit Schaller & Rausch: „Wir sind provokant und sprechen Dinge an"

Chris Schaller, Julian Schaller und Josch Maier sind „Schaller & Rausch". (c) Yuki Gaderer
Chris Schaller, Julian Schaller und Josch Maier sind „Schaller & Rausch". (c) Yuki Gaderer
(c) Yuki Gaderer
(c) Yuki Gaderer

WIEN. Sie machen Rock, wie ihn sonst kaum noch jemand macht: die Wiener Band Schaller & Rausch. Nach ihrer Debütsingle „Neue Kleider", legten sie mit „Xantico" noch einen weiteren Song drauf. Im POPMAGAZIN-Interview mit Redakteur Hans Juergen Gernot Miggl sprechen sie u.a. über ihren Werdegang, Verschwörungstheorien und was sie innerhalb der Band nicht mehr teilen würden.

 

POPMAGAZIN: Was war das Schrillste, das ihr an Verschwörungstheorien gehört habt?

 

JULIAN SCHALLER: Wir kennen alle Adrenochrom, fantasievoller geht es ja kaum noch. Das ist eine Story für Hollywood-Filme. Das Traurige dran ist, dass das nichts mit der kognitiven Intelligenz zu tun hat. Da geht es einfach um Emotionen. Wenn man mit der Realität so nicht umgehen kann, ist es natürlich super, wenn man sich solch einfache Verbindungen schaffen kann. Da sind immer George Soros oder Bill Gates schuld. Es ist super, immer den einen Sündenbock zu haben. 

 

Wie kann man Verschwörungstheoretikern gegenübertreten? Wie kann man sie wieder auf die andere Seite ziehen?

 

JOSH MAIER: Mit Konfrontation ist das eher schwer, man muss wohl auf einer emotionalen Ebene Verständnis zeigen und von der Person herausfinden, was sie bewegt daran zu glauben. Mit einer aggressiven Konfrontation ist das sehr schwierig, da sich die Leute so noch mehr von der restlichen Welt abkapseln.

 

JULIAN: Es hilft wahrscheinlich alles nichts. Am Ende des Tages ist es wohl eine psychische Krankheit. Der konfrontative Kurs, den der Josh da erwähnt hat, hilft wahrscheinlich wenig. Wenn sie es nicht begreifen, dann geht es nur mehr über Therapie. 

 

Kennt ihr in eurem Umfeld Leute, die diesen Verschwörungswahn verfallen sind?

 

JULIAN: Im Musikerumfeld kenne ich doch jemanden, ich war sehr davon überrascht. Obwohl diese Person gut gebildet ist, aber das hat mit Bildung nichts zu tun. 

(c) Florian Köppl
(c) Florian Köppl

Wenn wir auf eure Anfänge zurückblicken: Wie habt ihr euch kennengelernt?

 

JOSH: Das war schon im Kindergarten!

 

JULIAN: Josh hat auf Bongos gespielt und wir waren mit der Blockflöte unterwegs ... Spaß! Wir kennen uns schon sehr lange und irgendwann haben wir die Leidenschaft zur Kunst und Musik entdeckt.

 

Wann war es für euch klar, dass ihr eine Band gründen wollt?

 

JOSH: Das hat in der Schulzeit angefangen. 

 

JULIAN: Beim ersten Livekonzert, das war auf einem Bandwettbewerb in Hietzing, haben wir uns im Arrangement und der Komposition hoffnungslos übernommen und sind massiv in unseren begrenzten handwerklichen Fähigkeiten gescheitert. 

 

JOSH: Wir gaben natürlich nicht auf und haben es im nächsten Jahr wieder probiert und dann waren wir auf dem zweiten Platz. Dann wussten wir, dass wir etwas tun müssen! Das sind wir, das ist unsere Identität. 

 

Wie seid ihr zum Bandnamen gekommen? Schaller & Rausch klingt ja fast nach einer Rechtsanwaltskanzlei.

 

(beide lachen) JOSH: Es hat schon ein wenig gedauert. Im Endeffekt machten wir um dem bewusst, dass wir doch Zwillinge in der Band haben. Das ist schon etwas Außergewöhnliches. Dann haben wir eben den ersten Nachnamen und einen zweiten dazu genommen.  

 

JULIAN: Zum Zusatz "Rausch": Das könnte auch ein Nachname sein. Das bleibt unser Geheimnis. Da berufe ich mich gerne auf Konstantin Wecker, der in der Konfrontation Mitte der 90er Jahre mit einem Staatsanwalt erklärte, dass man unzurechnungsfähig und im Rausch Musik machen kann und dass das überhaupt nur in dieser Form möglich ist. Rausch im Sinne der Selbstvergessenheit. Alles loszulassen, das einem im Alltag hemmt.

(c) Yuki Gaderer
(c) Yuki Gaderer

Gab es bei euch anfangs Reibungen, wenn es um den Musikstil ging?

JOSH: Ich glaube Reibungen gibt es immer irgendwie. Man ist mal "d'accord", manchmal ist es auch ein Kampf. Die Leute haben halt einen unterschiedlichen Musikgeschmack und es arbeitet immer ein bisschen in sich.

 

JULIAN: Unterschiedliche Einflüsse zu haben, ist eigentlich ganz klar. Jeder bringt seine Vision mit hinein. Bei uns ist der Konfliktpunkt in wie weit wir uns Synthesizern und Gitarren öffnen. Wir sind in Wahrheit ja eine Rockband. Gerade in der amerikanischen Rockszene spielt die Gitarre aber keine Rolle mehr, wenn man sich die Stars wie Twenty One Pilots ansieht. Die setzen auf Bass, Piano und Synths. Das ist bei uns noch am ehesten eine Frage des Stils. Wie weit setzen wir die Gitarre in den Vordergrund oder eben auch nicht. 

 

Woher holt ihr euch die Inspiration?

 

JULIAN: Wir starten meistens mit dem Text. Da ist die Inspiration sehr vielfältig. Sobald es einmal einen Rohentwurf gibt, geht das Ganze in den Bandkontext hinein und dann komponieren und arrangieren wir.

 

Wen wollt ihr nicht im Publikum bei euren Konzerten sehen?

 

JOSH (lacht): Gute Frage!

 

JULIAN: Das würde ich gar nicht so pauschal beantworten. Musik ist ja etwas sehr Verbindendes und Wertvolles im Hinblick auf Aufklärung über bestimmte Überzeugungen. 

 

JOSH: Mit ist es eigentlich egal. Es ist eher so die Stimmung. Wen es nicht interessiert, der braucht auch nicht kommen. 

 

JULIAN: Was wir normalerweise nicht brauchen ohne da jetzt besonders aggressiv zu klingen, ist die Polizei, die dann auftaucht und das Konzert beendet.  

(c) Johannes Maier
(c) Johannes Maier

Wie würdet ihr euch als Band gegenüber Menschen beschreiben, die noch nie etwas von euch gehört haben?

 

JULIAN: Wir machen Rockmusik, die heutzutage noch kaum jemand spielt. Wir sind provokant und sprechen Dinge an, die ansonsten gerne vermieden werden. Wir verpacken das Ganze in Melodien, die man auch mitsingen kann.

 

Im Pressetext verspricht euer Album nichts Geringeres als ein Austesten der Grenzen". Jetzt abseits der Musik betrachtet: Welche Grenzen habt ihr schon ordentlich ausgetestet?

 

JOSH: Wenn man jugendlich ist, hinterfragt man oft Autoritäten. Man will selbstbestimmt leben und versucht das auszutesten und das Leben selbst in die Hand zu nehmen.

 

JULIAN: Ich will zumindest keine Gesetze brechen, mir nur einen Einblick verschaffen.

 

Julian, dein Zwillingsbruder Chris hat vor langer Zeit bei der ORF-Show „Helden von morgen" teilgenommen. Was konntest du von ihm lernen?

 

JULIAN: Seinen unglaublichen Ehrgeiz und sich vor hunderttausenden Menschen zu exponieren. Gleichzeitig sein musikalisches Vorstellungsvermögen. Er ist irrsinnig geschickt darin, Verbindungen herzustellen. 

 

Damals gab es einen Riesenwirbel um seine Person, auch Mädels betreffend. Was würdet ihr heute anders machen?

 

JULIAN: Ohne ins Detail gehen zu wollen: Innerhalb der Band würde ich keine Beziehungen mehr teilen wollen. 

 

Hast du es seinerzeit auch genossen als Bruder ein wenig im Rampenlicht zu stehen?

 

JULIAN: Für jeden jungen Mann Anfang oder Mitte 20 ist es natürlich ein Ego-Push, wenn dich Menschen auf der Straße ansprechen, die dir vollkommen unbekannt sind. Es würde jeder lügen, wenn er sagen würde, er mag es nicht gemocht zu werden. 

 

JOSH: Als Musiker sucht man immer das Rampenlicht und die Aufmerksamkeit. 

(c) miggl.at / Hans Juergen Gernot Miggl
(c) miggl.at / Hans Juergen Gernot Miggl

Wie wird es mit euch weitergehen? Was wollt ihr mit eurem Album erreichen?

 

JULIAN: Anders als bei der ersten Single „Neue Kleider", wo Chris' Leadvocals im Vordergrund gestanden sind, ist es bei der zweiten Single „Xantico" anders. Wir wechseln uns bei den Singles immer dynamisch ab. Im Spätsommer bzw. zu Herbstbeginn wird dann die dritte Single releast, die dann schon der Vorbote des Albums sein wird. 

 

Welche Musik läuft bei euch privat?

 

JOSH: Wir haben ein bisschen ein Faible nach Rockbands, die auch im Mainstream sehr erfolgreich sind, sich aber trotzdem nicht verbiegen ließen. Die Band Muse ist ein klassisches Beispiel.

 

JULIAN: Es ist wichtig für einen Musiker Grenzen, die es für Menschen gibt, aufzubrechen. Wenn man z. B. an Eddie Van Halen denkt: Er war ein absolutes Genie, für mich ein unglaubliches Vorbild. Sein Tod ist wirklich erschütternd, sein Vermächtnis großartig. Ich bewundere auch Elton John und andere Songwriter, die nicht genregebunden sind. 

 

(c) Yuki Gaderer
(c) Yuki Gaderer

Wenn ihr euch nun gegenseitig beschreiben könnt. Was schätzt ihr einander? Und mit einem Augenzwinkern: Was stört euch?

 

JOSH: Julian und ich kennen uns seit ich denken kann. Wir waren immer sehr eng, wenn das Leben eng wurde. Musikalisch hat er mich beeinflusst. Oder wir uns gegenseitig. Er kommt halt oft zu spät, das ist wirklich nervig.

 

JULIAN: Es ist sehr spannend. Der Josh ist von der Persönlichkeitsstruktur her ein völlig anderer Mensch als ich. Er ist wesentlich ruhiger und introvertierter. Gleichzeitig ein unglaublich intelligenter und analytischer Mensch mit einem Fachwissen von dem ich nicht einmal zu träumen wage, reden wir von naturwissenschaftlichen Themen. Es ist unglaublich inspirierend ihm dabei zuzuhören, auch wenn ich gleichzeitig mitschreiben und Protokoll führen müsste. Die musikalische Harmonie ist eine wirklich besondere. Gesangmelodien in Gitarrenarrangements zu überführen, zum Beispiel. 

 

Wie würdet ihr Chris beschreiben?

 

JOSH: Chris kenne ich quasi genauso lange wie Julian. Das Interessante ist, obwohl sie dieselben Gene haben, sind sie trotzdem so unterschiedlich. Das ist faszinierend. Was der Chris wirklich in sich hat, ist ein großer Pool an Kreativität. Wenn wir musikalisch irgendwo hängen, hat Chris sicher eine Idee. Er spielt unglaublich viele Instrumente. Ich kenne wenige Musiker, die so vielseitig talentiert sind. 

 

JULIAN: Wenn es ein Problem gibt, findet Chris immer eine Lösung. Zum anderen hat er überhaupt keine Scheu und er ist ein unglaublicher Autodidakt. Er hat sich Gitarre und Keyboard selbst beigebracht, wie auch Grafik- und Videodesign. Wenn es etwas gibt wofür er eine Leidenschaft entwickelt, dann zieht er es bis zum letzten Ende durch. Da bin ich dem Chris doch wieder ein bisschen ähnlich, um auf Josh' Beschreibung einzugehen.

 

Interview: POPMAGAZIN.at / Hans Juergen Gernot Miggl, veröffentlicht am 25.05.2021

 

Single „Xantico".
Single „Xantico".