· 

JORIS im Interview: „Man muss alleine durch diesen Schmerz durchgehen"

(c) Chris Heidrich, Paul Hüttemann
(c) Chris Heidrich, Paul Hüttemann
(c) Paul Hüttemman
(c) Paul Hüttemman

DEUTSCHLAND. Er zählt zu den erfolgreichsten Liedermachern im deutschsprachigen Raum: JORIS! Über Höhepunkte in seinem Leben, sein neues Album „Willkommen Goodbye", seinem Umgang mit Trauer und warum er einmal wie versteinert am Fenster im Backstagebereich stand, erzählte der 31-jährige Musiker im POPMAGAZIN-Interview mit Redakteur Hans Juergen Gernot Miggl. 

 

POPMAGAZIN: „Willkommen Goodbye" heißt deine neue Platte. Würdest du sagen, dass es dein bestes Album ist?

 

JORIS (lacht): Alle, die mich kennen, wissen es: Immer, wenn ich einen neuen Song schreibe, sage ich, dass es der beste Song wird, den ich jemals geschrieben habe. Ein paar Tage später klärt es sich dann, ob er in den Papierkorb wandert oder tatsächlich ein Song ist, der gut ist. Natürlich glaube ich, dass es das beste Album ist, das ich bisher schrieb, weil ganz viel Liebe darin steckt. Zweieinhalb Jahre habe ich daran gearbeitet, also auch schon eineinhalb Jahre vor dieser komischen Zeit. Ein Jahr dann im Lockdown. Ich glaube, dass es das allumfassendste Album von mir ist. Weil es neben positiven Songs wie „Nur die Musik", „No Drama Song" oder „Sturm & Drang", auch ein paar introvertierte Nummern auf die Platte geschafft haben, auch aufgrund des Lockdowns. 

 

„Willkommen Goodbye" ist nicht nur der Albumtitel, sondern auch namensgebend für einen dieser Song. In deiner YouTube-Reihe „Track by Track" hast du gesagt, dass es darin um das Leben geht. Wo war dein größtes Hindernis, das du im Leben meistern musstest?

 

JORIS: Vorab muss ich sagen, dass ich sehr sehr viele wunderschöne Wege erlebt habe und auf ihnen gehen durfte. Ich bin ein sehr lebensfroher Mensch. Auch „Willkommen Goodbye" ist ein lebensbejahendes Album. Aber im letzten Jahr war vieles anders, wir haben innegehalten, uns vielleicht auch neu justiert oder neu gefunden. Ich hoffe, dass wir stärker da rausgehen, als wir hineingegangen sind. Und natürlich habe ich immer wieder auch bestimmte Rückschritte erleben müssen, sowohl im privaten, als auch im beruflichen Umfeld. Das gehört einfach dazu. Aber ich weiß mittlerweile, dass das Leben nicht nur nach oben läuft, sondern auch viele verschiedene Facetten nach unten hat. Wenn man es schafft, der Summe der Facetten mit einem Lächeln zu begegnen, dann ist es alles in allem trotzdem wunderschön. 

 

Singlecover zu „Nur die Musik"
Singlecover zu „Nur die Musik"

In „Nur die Musik" ist einfach beinahe alles passiert, das man wohl musikalisch auf einem Pop-Album machen kann. In welcher Stimmung warst du dabei?

 

JORIS: Ich habe diesen Song in Dornbirn geschrieben. Das war eine wunderschöne Stimmung. Der Song hat vom Schreiben, über das Aufnehmen und bis zum Live-Spielen immer unglaublich viel Spaß gemacht. Spaß steckt auch unglaublich viel in dieser Platte drinnen. Es ist erst mal für jemanden wie mich, der so detailverliebt und akribisch ist, gar nicht unbedingt selbstverständlich, dass man Hand in Hand mit diesen good vibes geht und die Dinge so nimmt, wie sie kommen. „Nur die Musik" ist das beste Beispiel. Es ist eine Hommage an alle Lieblingslieder, die ich in meinem Leben bisher hatte. Die tauchen in kleinen Zitaten in diesem Song auf. Am Ende gibt es zum Beispiel auch diesen „Family & Friends"-Chor, der im Tourbus auf einer Autobahn mit dem Handy aufgenommen wurde. Das zuzulassen und eben nicht dann nochmals ins Studio zu gehen und versuchen diesen Monat krampfhaft zu reproduzieren, ist etwas, das ich gelernt habe in den letzten Jahren. Ich glaube, das macht dieses Album aus, dass einfach viele Texte, die ich geschrieben habe, direkt danach eingesungen wurden. Dadurch haben sie genau den richtigen vibe und das merkt man in den Songs, dass da ganz viel von dieser Energie drinnen steckt.

 

„Steine", ein weiterer Song, beschäftigt sich mit der Trauer. Wie gehst du mit Erlebnissen um wie den Verlust eines geliebten Menschen?

 

JORIS: Da gibt es keine Antwort drauf, die ich standardmäßig sagen kann. Das ist immer etwas, das einem jedes Mal den Boden unter den Füßen wegzieht. Natürlich ist es wie, wenn man zum Beispiel zum ersten Mal eine Trennung hinter sich hat und man denkt, es geht nie weiter. Aber irgendwann geht es weiter. In „Steine" geht es auch darum, dass man einander diesen Schmerz nicht abnehmen kann. Man muss durch diesen Schmerz alleine durchgehen. Man kann nur füreinander da sein. Die Zeile ist: „Ich kann nicht für dich fallen, doch ich kann dich auffangen". Bei all dem Traurigen, das so ein Song wie „Steine" in sich trägt, trägt er zum Glück noch eine Hoffnung in sich. Das ist etwas, das mich antreibt. Das sind Songs, das gebe ich ganz offen zu, die ich nicht in Summe so hinbekomme, es ist eher so, als würden diese Songs mich finden. Wenn so etwas passiert, dann setze ich mich nicht hin und denke nach wie ich über so etwas schreiben kann, sondern es kommt einfach so. Das ist etwas, worüber ich sehr dankbar bin. Das empfinde ich nun als die schönste Art des Schreibens, wenn ich merke, dass ich gerade das Medium bin, das es niederschreibt. Es kommt irgendwoher und möchte gern gehört werden. 

 

Du hast bereits im Alter von fünf Jahren mit der Musik begonnen. Was war zuerst da? Der Gesang oder ein Instrument?

 

JORIS: Ich glaube, Gesang ist bei jedem Menschen irgendwie dabei. Zum Beispiel durch die Mama, die singt, wenn du als kleines Baby einschlafen sollst. Musik ist eine Sprache, die jeder spricht. Für mich war das Schlagzeugspielen mein Einstieg.

 

Was war für dich das Faszinierende dabei?

 

JORIS: Ich hatte so etwas wie einen großen Bruder, das war mein Cousin, der Schlagzeug spielte. Der hat mir ganz viele von den damaligen Alben gezeigt wie etwa Linkin' Park, Limp Bizkit oder Green Day. Das waren Rockplatten, die mir Spaß machten. Trotzdem merkte ich bei CDs wie "Bravo Hits", die ich mir damals parallel dazu anhörte, dass es auch eine andere Musik gibt, zu der man auch toll trommeln kann. Und ich habe früh gemerkt, dass Livemusik die Menschen zusammenbringt. Irgendwie war die Musik schon immer an meiner Seite.

 

(c) Chris Heidrich
(c) Chris Heidrich

Was war die größte Auszeichnung, die du bekommen hast?

 

JORIS: Ich liebe immer diese Superlativfragen. Die größte Auszeichnung musikalischer Natur waren drei Echos an einem Abend. Für mich persönlich war die größte Auszeichnung, wenn ich an meine erste Tour 2015 zurückdenke, als wir wie versteinert am Fenster im ersten Stock im Backstagebereich standen und wir sahen, wie die Menschenschlange um die Straße ging und die Leute alle darauf warteten, dass sie reinkommen können. Wir konnten unseren Augen nicht trauen! Wir wussten zwar, dass das Konzert ausverkauft ist, wussten aber nicht, dass das so aussehen würde. Die größte Auszeichnung für mich ist, dass ich die Chance bekomme, mit so tollen Menschen um mich herum, in Zeiten keiner Pandemie, unterwegs sein zu können und abends so viele Menschen mit uns glücklich feiern.

 

Wie viel Fannähe lässt du? Obwohl, Nähe ist in Zeiten des Abstandhaltens, ein schwieriges Wort.

 

JORIS: Vor der Pandemie ging ich nach dem Konzert gerne ins Publikum und machte mit den Leuten Fotos und tauschte mich mit ihnen aus. Das ist auch ein Respekt, der ihnen gebührt. Sie stecken viel Energie rein und geben auch Geld aus, um abends mit uns zu feiern. Dafür bin ich auch nach all den Jahren noch immer sehr dankbar. Das ist das Besondere für mich. Deswegen ist diese Nähe zu den Fans elementar und das macht auch Musik aus, dass man sie eben gemeinsam erlebt. Wir sind ja keine Musical- oder Showband, die jeden Abend das gleiche Konzert runterrattert. Wir machen Musik, so wie wir sie an diesem Abend empfinden und mit den Leuten, die in diesen Momenten da sind. 

 

Wo liegt deine Leidenschaft abseits der Musik?

 

JORIS: Meine Leidenschaft liegt eigentlich überall dort, wo meine Leidenschaft liegt. Ich bin da nicht festgefahren und bin immer wieder froh, neue Dinge zu erleben. In der Pandemie sind es natürlich banalere Dinge wie das Kochen neu zu entdecken. Oder das Werken zu Hause. Ich habe sehr gerne mit Holz gewerkelt. Ich wusste gar nicht, dass ich das kann.  

 

Wenn du schon übers Kochen sprichst: Welches Rezept von dir sollen die Fans mal nachkochen?

 

JORIS (lacht): Ich mache sehr gerne Pfannkuchen. Ich weiß nur nicht, wie das bei euch heißt?

 

Palatschinken!

 

JORIS: Palatschinken mach ich sehr gerne mit einem guten eingebackenen Käse und einem Pesto. 

 

(c) Paul Hüttemann
(c) Paul Hüttemann

Wann hattest du deinen letzten Albtraum?

 

JORIS: Zuletzt hatte ich häufig Albträume, wenn ich so gesehen habe, wie es um die Kunst- und Kulturszene steht. Und wie es um meine Bandmitglieder steht, die nun auch irgendwie über die Runden kommen müssen. Dementsprechend müssen sie andere Jobs machen wie zum Beispiel LKW fahren. Das sind natürlich Dinge, die mich im Moment belasten. 

 

Drei Gegenstände ohne die du nicht leben kannst?

 

JORIS: Meine Gitarre, gute Kopfhörer und Kaffee!

 

Angenommen du hast nur fünf Euro Budget und möchtest nun eine schöne Zeit mit deinen Leuten erleben: Was macht ihr und wofür gebt ihr das Geld aus?

 

JORIS (lacht): Ich würde meine Band mitnehmen und in unsere Lieblingskneipe in Mannheim gehen. Dann fünf Euro hinlegen und den Rest später bezahlen. 

 

 

JORIS ist großer Fan der Band Bilderbuch. Im Bild: Sänger Maurice. (c) miggl.at
JORIS ist großer Fan der Band Bilderbuch. Im Bild: Sänger Maurice. (c) miggl.at

Welche Verbindung hast du zu Österreich?

 

JORIS: Neben den beiden Auftritten 2022 in Linz und Wien, bin ich sehr gerne in der Alpenrepublik. Die Natur bringt mich jedes Mal sehr runter und erdet mich. Ich erinnere mich außerdem an tolle Konzerte im Weekender Club in Innsbruck, den es nun leider nicht mehr gibt. Oder an jene im Conrad Sohm in Dornbirn und dem WUK, der Arena oder auf der Donauinsel in Wien. Mit Österreich verbinde ich sehr viele schöne Live-Erinnerungen. Natürlich spielen wir in Österreich in kleineren Locations als in Deutschland. Das macht es aber meistens so besonders, dass wir bei euch diese Clubluft fühlen dürfen. Das ist eine puristische Art gemeinsam Musik zu erleben. Im Studio in Dornbirn habe ich einen großen Teil meiner neuen Platte aufgenommen.

 

Welche Artists aus Österreich verfolgst du?

 

JORIS: Ich liebe Bilderbuch und die Energie mit der diese Jungs auf der Bühne stehen! Maurice zieht jedes Mal die absolute Show ab. Ich bin ein riesen Fan!

 

Interview: POPMAGAZIN.at / Hans Juergen Gernot Miggl, 19.05.2021

 

(c) Paul Hüttemann
(c) Paul Hüttemann

Steckbrief: JORIS

 

Geboren am 01. Dezember 1989 in Stuhr-Brinkum (Deutschland)

Lieblingsküche: Italienisch.

Lieblingsgetränk: Cappuccino.

Lieblingsort: Die Bühne!

Eine Serie, die man unbedingt gesehen haben muss: Der Tatortreiniger.

 

Folge JORIS

 

Insta: jorismusik

Facebook: jorismusik

YouTube: jorismusik
Website: https://www.jorismusik.de