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gebenedeit veröffentlichen Debütalbum "Missgeburt. Macht eine Messe!"

Debütalbum "Missgeburt. Macht eine Messe." ist Riten eines eucharistischen Gottesdienstes nachempfunden. (c) Julien Segarra
Debütalbum "Missgeburt. Macht eine Messe." ist Riten eines eucharistischen Gottesdienstes nachempfunden. (c) Julien Segarra
(c) Julien Segarra
(c) Julien Segarra

WIEN. Pünktlich zu Allerheiligen erscheint Missgeburt. Macht eine Messe!, das Debütalbum der Band gebenedeit. Es ist, wie der Name bereits vermuten lässt, den Riten eines eucharistischen Gottesdienstes nachempfunden, von der Kyrie (Eröffnungslitanei) bis zum Ausmarsch aus dem sakralen Bauwerk. Ganz in der katholischen Tradition der Kasteiung beginnt das Album mit einigen Schlägen in die Magengrube (das morbide Gebet sei hier besonders hervorgehoben), nur um am Ende Erlösung und die Belohnung des wahren Glaubens anzubieten. Der wahre Glauben, das ist bei gebenedeit einfach die schonungslose Selbsterkenntnis. So wird aus Agnus Dei, dem Gebet, das in der christlichen Zeremonie die Auferstehung des Propheten feiert, die Reanimation des durch das moderne, agnostische Leben verschütteten Selbst, denn: So schwach geht deine Seele nirgends hin, mein Freund. Auch das Sanctus der eucharistischen Liturgie wird auf den Kopf gestellt und von einem Bekenntnis zur Anklage falscher Propheten: Wahrheit und Mist / Was könnte je näher beisammen liegen? / Freilich bist du der Mist / Ein ganzer Misthaufen bist du. Die Kirchenorgel wird auf Missgeburt. Macht eine Messe! ersetzt durch den verzerrten Bass eines Synthesizers, statt dem Läuten der Kirchenglocken donnert ein trockener Schlagzeugbeat. Sakrale Heimorgelklänge flackern hin und wieder auf und wiegen uns in Sicherheit bevor gebenedeit mit ihrem Synth-Noise-Punk erneut die spirituelle Krise in uns lostreten. Gehet hin in Frieden.

(c) Julien Segarra
(c) Julien Segarra

gebenedeit ist die literarisch-liturgische Band von Lydia Haider, Josua Oberlerchner und Johannes Oberhuber. Schriftstellerin Haider hat bereits unterschiedlichste performative Lesungen gemeinsam mit Oberhuber im Zeitraum 2015 - 2018 aufgeführt. Dieses Duo wird nun mit dem Rhythmus des Schlagzeugers Oberlerchner erweitert. Nach wie vor stehen die Texte Haiders im Zentrum der sich als liturgisch inszenierenden Formation. Erschaffen wird eine ganze Messe, operiert wird nicht mit feiner Klinge, sondern mit schwerem Geschütz. So donnern Metallbeats neben dröhnenden Bässen, um den Weg für Haiders biblische Sprache zu ebnen. gebenedeit kommt vom lateinischen benedicere und bedeutet soviel wie segnen oder lobpreisen. Es wird am häufigsten im katholischen Kontext - konkret im Ave Maria - gebraucht. Dort wird es ähnlich wie andere Wörter in der christlichen Liturgie an immer gleicher Stelle wiederholt, undeutlich dahinrezitiert. Es bekommt den Charakter eines Patterns, das den Textfluss gliedert und einen musikalischen Rahmen erzeugt. Auf ihre ganz eigene Art macht sich die Schriftstellerin und Musikerin Lydia Haider diesen liturgischen Rhythmus zu eigen. Stellenweise erinnert es an ein Mantra, dann wieder an eine Verfluchung oder an eine Anbetung auf basalster Ebene. Mit Instrumenten wird dies in ein unkonventionell gehaltenes Konstrukt aus Stimme, Schlagzeug und Bass transformiert. Musikalisch/stilistisch sind die gebenedeit Stücke sehr unterschiedlich, werden jedoch zusammengehalten von der Textlastigkeit, dem Pattern-Charakter und der trotzigen Nonkonformität. Im Zentrum steht dabei die Performance: Inszeniert wird tatsächlich eine (katholische) Messe, Überidentifikation groß geschrieben. Der Leib Haider wird (aggressiv) verteilt, es wird gekniet, gepredigt, offensiv ins Publikum marschiert. Viele Songtexte befinden sich auch in erweiterter, abgewandelter oder gekürzter Form im ersten Lyrikband von Lydia Haider, der im Mai 2020 im Verlag parasitenpresse in Köln veröffentlicht worden ist. 2020 gewann Haider den Publikumspreis des Ingeborg-Bachmann-Wettbewerbs.

 

Lydia Haider,  geboren 1985, Schriftstellerin, lebt in Wien. Zuletzt: Wahrlich fuck you du Sau, bist du komplett zugeschissen in deinem Leib drin oder: Zehrung Reiser Rosi. Ein Gesang, sowie der Roman Am Ball. Wider erbliche Schwachsinnigkeit und die Anthologie Und wie wir hassen (als Herausgeberin).

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