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POPMAGAZIN-Interview mit Laith Al-Deen: "Für mich war kein Tag umsonst"

Der Mannheimer Laith Al-Deen hat schon so manche Krise überstanden. (c) earMUSIC / Chris Gonz
Der Mannheimer Laith Al-Deen hat schon so manche Krise überstanden. (c) earMUSIC / Chris Gonz

Kaum jemand hat den Deutschpop so geprägt wie der Mannheimer LAITH AL-DEEN („Bilder von dir“). Mit seinem neuen Album „Kein Tag umsonst“ kletterte er im Juli wieder an die Spitze der Deutschen Charts. Im Interview mit POPMAGAZIN-Redakteur Hans Jürgen Gernot Miggl zieht er Bilanz über seine Karriere, spricht über seinen neuen Alltag mit drei Kindern, seine größte Krise und die fatalen Folgen des Lockdowns für die Musikbranche. Und verrät uns mit welchem österreichischen Drink man ihm ein Lächeln ins Gesicht zaubern kann.

Startet nun wieder durch: Laith Al-Deen. (c) earMUSIC / Chris Gonz
Startet nun wieder durch: Laith Al-Deen. (c) earMUSIC / Chris Gonz

POPMAGAZIN: Dein neues Album „Kein Tag umsonst“ ist draußen. Großartige Platte! Ist der Titel auch so etwas wie dein Lebensmotto?

LAITH AL-DEEN: Kein Tag war umsonst für mich. Inoffiziell stehe ich seit 30 Jahren auf der Bühne, offiziell werden es ausgerechnet in diesem Jahr 20. Den Rückblick würde ich sehr gerne vornehmen. Da habe ich viele Dinge entdeckt auf die ich wahnsinnig stolz bin. Auf der anderen Seite ist es klar ein Appell an mich selbst und die Dinge, die mir wichtig sind, nicht zu vergessen und sie so lebendig wie möglich wahrzunehmen.

 

POPMAGAZIN: Du hast es schon angesprochen: Heuer ist dein 20-jähriges Bühnenjubiläum. Deine Bilanz?

LAITH: Ich habe vor 30 Jahren beschlossen meinen Traum zum Beruf zu machen. Heute ist es immer noch wahnsinnig schön. Ich bin noch da und freue mich mit den Leuten, die ich in dieser Zeit traf, dass sie noch am Start sind und wir davon leben können. Ich bin stolz, dass alles geklappt hat.

 

POPMAGAZIN: Wann hast du bemerkt, dass du am richtigen Weg bist?

LAITH: Es war tatsächlich Zufall. Ich habe in vielen (Cover-)Bandprojekten mitgemischt. Eine Zeit lang sogar in fünf verschiedenen und hatte nebenher einen Job. Und ein wenig studiert. Das aber nur mit halben Vorsatz. Ich habe so viel gutes Feedback auf meine Gesangseinsätze bekommen, dann eine Platte für jemanden eingesungen. Über einen Studiojob, kam der nächste hinzu. Und folglich mein erster Plattenvertrag. Das war für mich das Zeichen, wenn ich schon als Backgroundsänger so weit kommen kann, dass ich noch mehr an mich glauben soll.

 

POPMAGAZIN: Hast du einen absoluten Lieblingssong unter deinen Liedern?

LAITH: Eigentlich nicht. „Ich will nur wissen“, der Titelsong meines ersten Albums, bleibt für mich für alle Zeiten ein heller Stern. Den spielen wir immer wieder gerne live. Derzeit gehe ich mit dem Song „Kein Tag umsonst“ auf mich selbst ein. Das macht Laune!

 

POPMAGAZIN: Einer der Songs deines mittlerweile zehnten Albums heißt „Liebe ist ein Geschenk“. Wie oft hat dir die Liebe ein Geschenk gemacht?

LAITH: Das kommt drauf an, wie man sie sieht. Wenn man es als reines zwischenmenschliches Ding sieht, dann hat es Höhen und Tiefen. Wenn man alles als ein Glaubensmodell versteht, die Liebe an sich selbst in einen speziellen Rahmen stellt, so ist es oft hart, aber man wird trotzdem reich beschenkt.

 

POPMAGAZIN: Deine neue Freundin brachte drei Kinder in die Beziehung mit. Bist du ein Familienmensch

LAITH: Ich bin inzwischen mehr als gedacht in die Rolle hinein gewachsen. Ich sehe mich als guten Kumpel mit Regeln. Es macht Spaß. Das Spannendste ist, wie sich die Prioritäten verschieben. Mein Alltag ist nun ziemlich strukturiert. Die Kinder bereichern das Leben.

 

POPMAGAZIN: Struktur ist auch wichtig, gerade wenn man, so wie du, acht Wochen lang in der Schweiz (die Heimat seiner Freundin; Ann. d. Red.) in Quarantäne verbrachte. Wie konntest du das durchstehen?

LAITH: Ich finde die Spätfolgen noch viel schlimmer. Ohne Konzerte. Und der wirtschaftliche Ausblick ist düster. Einerseits verbrachte ich mehr Zeit mit mir selbst und andererseits mit den Menschen, die einem am nächsten sind. Mit Homeschooling hatte ich davor noch nichts zu tun. Ich wollte noch nie Lehrer sein, jetzt noch viel weniger. Auch der anderen Seite ist es doch schön, die rostigen Drähte im Kopf an anderen Stellen zu mobilisieren und zu erkennen, was ich zu bestimmten Themen noch weiß. An solche Prozesse schließen sich wieder Ideen an. Das fand ich in der Lockdown-Zeit sehr erfrischend. Ich möchte die Zeit daher gar nicht missen.

POPMAGAZIN: „Wenn über einen Rettungsschirm für die Musikbranche entscheiden könntest, wie würdest du ihn gestalten?

LAITH: Mit Wirtschaftsmodellen es immer schwierig. Mir fehlt die Relevanz in den Hilfsaktionen für uns. Obwohl es eine Branche ist, die viel Umsatz generiert und extrem viele Arbeitsplätze mit sich führt. In der Branche stehen so viele auf der Kippe. Wie hätten gerne das Gefühl extrem ernst genommen zu werden. Gerade auf lange Sicht. Viele der Sofortmaßnahmen sind nur Tropfen auf den heißen Stein. Und bilden nicht ab, was nächstes Jahr sein wird. Es ist noch nicht alles komplett vorbei. Die Aussicht auf den Geldfluss oder auf ein Stück Sicherheit ist nicht gegeben. Das macht sehr traurig. Vor allem bei der schwierigen Selbstständigkeit in der Branche. An der Stelle fühle ich mich alleine gelassen.

 

POPMAGAZIN: Du hattest schon andere Krisen im Leben. Was lief vor ein paar Jahren falsch? Und wie bist du aus diesem Tief herausgekommen?

LAITH: Durch Routine. Routinen sind für wahnsinnig viele Sachen gut. Als Mensch, der mit sich selbst nicht im Reinen ist, gehört es zu den wichtigsten Anfängen sich eine Routine zu schaffen. Einerseits um sich selbst klarer wahrnehmen zu können und dass man sich nicht selbst hinterherläuft und sich in schwierigen Gedankenmustern verliert. Wenn man Routinen aufstellt, dann vereinfachen sich Tagesabläufe. Das hat auch mir sehr geholfen. Ganz zu schweigen von dem doch sehr öffentlichen Umgang. Ich bin von meinem Umfeld und auch von Leuten, die ich nicht kannte, mit meiner seelischen Situation unfassbar offen aufgenommen worden. Man hat so viele Geschichten mit mir geteilt, ob ich wollte oder nicht. Und das war wirklich großartig! Mir ist klar geworden, dass ich nicht alleine bin.

 

POPMAGAZIN: Du hast richtig viel erreicht. Was fehlt dir noch?

LAITH: Ich habe noch viele musikalische Wünsche. So akut wie dieses Jahr war das Projekt Rockplatte noch nie. Seit vier Jahren will ich sie machen. Auch Country, mit dieser Musikrichtung bin ich groß geworden, reizt mich. Ich würde einfach in musikalischen Töpfen lange herumrühren, sie jemanden anbieten und gucken, was passiert.

 

POPMAGAZIN: Deutschpop ist beliebt wie nie zuvor. Was würdest du jungen Musikern auf den Weg mitgeben, wenn sie von der Musik leben möchten?

LAITH: Es ist immer gut über die rechtliche Situation Bescheid zu wissen. Heutzutage kann man froh sein, dass alles möglich ist. Du brauchst nicht zwingend eine Plattenfirma, außer man steht auf dieses Modell. Ganz viele neue Acts haben im Netz mit dem eigenen YouTube-Kanal angefangen. Und wurden unter Umständen von Plattenfirmen angesprochen. Man muss einerseits beständig sein und an sich glauben. Und auf der anderen Seite ein paar Stellen mehr bedienen, um präsent zu sein. Dann hat man etwas vorzuzeigen und kann wandelbar bleiben. Spiel einfach so viel rum, wie du kannst!

 

POPMAGAZIN: Fans sind immer wichtig. Wie viel Fannähe lässt du zu?

LAITH: Fannähe bezieht sich auf Sachen wie „Meet‘n‘Greet“. Bei einem Konzert bin ich eher nahbar. Streaming ist ein spannendes Thema. Q&A (Question & Answer) ist beliebt. Ich finde es ganz lustig. Es ist ja nichts anderes als eine Art Miniatur-Pressekonferenz. Und wenn man etwas nicht beantworten möchte, dann ist es genauso legitim. Wenn komische Fragen dabei sind wie „Wie lange wird dein Bart noch?“, dann kann man einfach blöde Antworten geben. Das funktioniert seit jeher. Aber genauso kann man schöne Diskurse haben.

 

POPMAGAZIN: Haben dir Fans schon Persönliches anvertraut?

LAITH: Ja und nein. Zu meinem letzten Album habe ich einen Fanaufruf gestartet und habe um Geschichten gebeten. Gute 85 Prozent der E-Mails bestanden aus Leid. Ich fand es erstaunlich, was passiert, wenn man die Arme öffnet. Zuerst geht der Kummerkasten auf. In einige Schicksale bin ich eingestiegen, teils tiefer, als beabsichtigt. Mir ist wieder klar geworden, dass man als Musiker mit Fanstamm eine gewisse Verantwortung hat. 

POPMAGAZIN: Wie viel Zeit verbringt du auf Social Media Plattformen?

LAITH: Ich checke, Gott sei dank, meine Bildschirmzeit nicht. Es ist sehr unschiedlich, da wir die Kanäle im Team beackern. Ich versuche mich bei den Kommentaren ein wenig rauszuhalten. Wenn sich drei von 15 Leuten negativ äußern, beginnt man plötzlich etwas Großes daraus zu machen. Ich brauche diesen Stammtisch-Terror nicht.

 

POPMAGAZIN: Was schätzt du an Österreich?

LAITH: Bei den Wien-Besuchen erging es mir wahrscheinlich wie allen anderen. Es ist eine sehr schöne und berauschende Stadt. Ich mag auch den Zwist zwischen den Wienern und Nicht-Wienern. Den finde ich ganz großartig. Bei der Aufzeichnung zu „Stars am Wörthersee“ war ich dabei und konnte ganz lustige Musiker wie die ORF-Band treffen. Als kulinarischer Fan ist die österreichische Küche natürlich eine Top-Liga!

 

POPMAGAZIN: Hast du auch einen österreischen Lieblingsdrink?

LAITH: Ich bin ausgewiesener Vogelbeerbrand-Fan. Gerade Tiroler Brände lassen sich von fast nichts schlagen. Mit einer guten Vogelbeere kann man mir immer ein Lächeln ins Gesicht zaubern.

"Finde Christinas Werdegang spannend", so Laith Al-Deen über Sängerin Christina Stürmer. (c) miggl.at
"Finde Christinas Werdegang spannend", so Laith Al-Deen über Sängerin Christina Stürmer. (c) miggl.at

POPMAGAZIN: Wer imponiert dir aus der österreichischen Musikszene?

LAITH: Ich kenne mich in der Musikszene Österreichs nicht wirklich aus, doch ich fand Christina Stürmers Werdegang spannend und mit einem habe ich bereits Musik gemacht: Leo Aberer. Wir kommentieren uns bisweilen auf Instagram und es ist erfreulich zu sehen, dass Leo am Start ist. Guter Mann.

 

POPMAGAZIN: Genau! Leo ist cool, ich kenne ihn auch schon lange.

LAITH: Solltest du mal mit ihm sprechen, sag ihm bitte einen Gruß!

 

POPMAGAZIN: Mache ich! Wenn du nochmals 18 Jahre jung sein könntest, was würdest du anders machen?

LAITH: Im Grunde genommen nichts. So jung will ich nicht mehr sein! Was ich aber nie wieder machen würde: Einen Plattenvertrag mit einem Majorlabel ohne einen Anwalt unterschreiben. Und ich kann jedem, der das vorhat, nur abraten.

 

POPMAGAZIN: Wenn dich ein Fan ansprechen würde, ob er bei einer Castingshow mitmachen sollte, was würdest du ihm raten?

LAITH: Ich würde ihm zuraten, da Castingshows wie DSDS sich inzwischen nivelliert haben. Die DSDS-Gewinner finden bei uns in der Radiolandschaftlich kategorisch nicht statt, was ich nicht verstehe. Die haben genauso hart wie andere gearbeitet. Ich würde nicht zwingend zwischen Wertigkeiten unterscheiden. Ich sehe es als einen möglichen Schritt zum Erfolg.

 

POPMAGAZIN: Angenommen du hättest die Möglichkeit dich für eine Woche in eine andere Zeit zu beamen, wo soll es hingehen?

LAITH: „In die frühen Achtzigerjahre nach Neuseeland, weil es der schönste Fleck Erde ist, den ich bisher gesehen habe. Die Welt war damals im Wandel.

 

POPMAGAZIN: Du bist Halb-Iraker. Welchen Bezug hast du zum Irak?

LAITH: Eigentlich gar keinen. Ich war nur einmal im Irak, 1984. Das sagt, glaube ich, schon viel. Nur zwei Personen von meiner Familie leben in Bagdad. Der Rest unserer großen Familie ist über den Erdball verteilt. Ich bin froh, dass es den meisten gut geht. Aber die politischen Zustände im Irak, die humanitären Probleme, sind noch lange nicht an einem Punkt, den man irgendwie als angekommen bezeichnen könnte. 

POPMAGAZIN: Wo oft wurde dein Name schon falsch ausgesprochen?

LAITH: (lacht) Stelle die Frage lieber anders: Wie oft richtig? Ein großes Missverhältnis. Der Einstieg ist in der Regel falsch. Ich korrigiere die Leute dann meistens. Ich kann es kaum zählen, es ist eine „Selbstverständlichkeit“ für mich. Ich kann es auch keinem wirklich übel nehmen.

 

POPMAGAZIN: Wie verbringt Laith Al-Deen den restlichen Sommer 2020? Abgesehen von den Auftritten?

LAITH: Das ist eine sehr gute Frage. Momentan habe ich noch den Luxus aus bestimmten Veranstaltungen auszuwählen. Ich Hoffe, dass ich zumindest meine Band, meine Jungs damit ein wenig wirtschaftlich unterstützen kann. Mit meinem Produzenten hatte vor unserem Interview telefoniert und wir haben beschlossen eine Platte zu machen bzw. wir machen einfach weiter und kreieren Musik. Schwimmen ist viel besser als unterzugehen.

 

POPMAGAZIN: Schöner Schlusssatz! Danke, dass du dir so viel Zeit genommen hast und einen schönen Sommer!

LAITH: Dir auch eine gute Zeit und vielleicht läuft man sich mal über den Weg.

 

STECKBRIEF: Laith Al-Deen

 

Geburtsdatum: 20. Februar 1972

Geboren in Karlsruhe (D)

Lebt in Mannheim (D)