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POPMAGAZIN-Interview mit TANYC: „Ich möchte etwas bauen, das mehr Gewicht hat“

(c) Wiktor Franko Photography
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TIROL/WIEN. Mit der Band Cama feierte Carmen Tannich-Wallner einst große Erfolge. Als TANYC geht sie nun neue Wege. „Es ist erwachsener Pop für musikaffine Menschen“, beschreibt sie ihr gleichnamiges Debütalbum. Was die Tirolerin von Perfektionismus hält, wie sie die Covid19-bedingte Pause reflektiert und warum ihre Songs nicht für Spotify geeignet sind, verriet sie im Interview mit POPMAGAZIN-Redakteur Hans Juergen Gernot Miggl. 

 

POPMAGAZIN: Dein Debütalbum „TANYC“ erschien am 2. Juli. Wie viel Zeit brauchte es, von der ersten Textzeile bis zum fertigen Werk?

 

TANYC: Bei den ersten Textzeilen habe ich noch gar nicht an ein Album gedacht. Es ist ein wenig mit mir gewachsen. Ich hatte meine Demos und meine Notizen. Im Studio entstanden vor vier Jahren die ersten Songs. Dann war aber schnell klar, dass es ein Album werden muss, da es für mich persönlich längst überfällig war.

 

Es ist vom Sound her sehr vielseitig geworden und deckt auch einige Genres ab. Woher nimmst du dir diese Kreativität?

 

TANYC: Bei mir geht es mit dem Text oft einher. Ich schreibe mit der Idee und probiere sie akustisch mit Vorarrangements in eine Form zu bringen. Dann entstehen Harmonien. Ist einmal das erste Grundgerüst gegeben, setze ich mich ans Klavier und durch diesen Prozess ist es dann total klar, wie der Song zu sein hat. Ich gebe mir keine klare Linie vor, dass ich sage, ich mache nun Pop zum Tanzen oder etwas Spezielleres. Es ergibt sich von Song zu Song. Wenn der Song verlangt, dass er akustisch bleiben soll, dann muss er das machen. Wenn er elektronisch sein muss, dann muss er eben elektronisch sein. Die Freiheit darf ich mir nehmen, da es mein Album ist. Der rote Faden bin immer ich und die Stimme.

 

Wie perfektionistisch bist du? Wann ist ein Song vollendet für dich?

 

TANYC: Das ist eine gute Frage! Man wird mit der Zeit etwas lockerer. Am Anfang, als ich zu schreiben begonnen hatte, habe ich es sehr ungerne losgelassen, denn es gibt immer etwas zum Schrauben und Drehen. Man muss es wie bei einem Bild lernen, wann genug ist. Sonst macht man es vielleicht kaputt. Da bin ich für mich auf einem guten Weg, das ist aber noch nicht ausgelernt, Ich kann mittlerweile relativ gut loslassen und habe ein Gespür entwickelt, wann es für mich gut ist. 

 

(c) Wiktor Franko Photography
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Für welche Person steht „Smile“, die Leadsingle deines Albums? 

 

TANYC: Die Person in diesem Lied bin tatsächlich ich. Manchmal täuscht es, da „Smile“ relativ flockig-locker daherkommt und einen vielleicht fröhlicheren, munteren Song vermitteln lässt. Im Endeffekt geht es darum, dass man sich nicht unterkriegen lassen soll und dass man sich immer wieder auf sich selbst berufen soll, weil alles gut wird! Und manchmal kann man es, auch wenn es nicht leicht ist, sich für sich selbst so richten, dass man es weglächeln kann. Das soll die Message sein. Es ist ein Text, den ich mir von der Seele geschrieben habe. Jemand anderer hört vielleicht etwas anderes. Das ist ja das Schöne in der Musik. Jeder nimmt sich das, was er möchte!

 

Wie selbstkritisch bist du?

 

TANYC: Das ist eben auch etwas, wo ich nun merke, dass ich darin lockerer werde. Selbstkritik bringt letztlich nichts, das hemmt tatsächlich. Das habe ich auch erlebt, deswegen übe ich mich nun darin. Ich kann auch gerne über mich selbst lachen. Das ist in der Art des Arbeitens wichtig. Man darf nicht alles zu ernst nehmen. Das Leben soll doch leicht sein und man soll es sich nicht schwerer machen, als es schon ist. 

 

Wie viele deiner Lebensereignisse fanden auf dem Album Platz?

 

TANYC: Das Schöne bei einem Debüt ist, dass man alles machen kann. Man ist noch nicht festgefangen, man kann vieles ausprobieren. Ein Debüt hat auch kein zeitliches Limit. Man ist fertig, wenn man fertig ist. Tatsächlich umfasst es jede Phase meines Lebens. Von der Kindheit angefangen bis jetzt. Der letzte Song heißt „Over And Over“. Es ist ein akustischer Song, der von der Stimme her mit ineinandergehenden Chören immer wilder wird. Er vollendet das Ganze für mich. Wenn man neue Stimmen hört, dann soll man auf sie hören, darf weiterziehen und etwas Neues machen.  

 

Carmen Tannich-Wallner (TANYC) beim POPMAGAZIN-Interview mit Hans Juergen Gernot Miggl im hippen 25hours-Hotel in Wien. (c) TANYC
Carmen Tannich-Wallner (TANYC) beim POPMAGAZIN-Interview mit Hans Juergen Gernot Miggl im hippen 25hours-Hotel in Wien. (c) TANYC

Eine Zeile des Songs lautet „Words Failed Me“ („Es fehlten mir die Worte“). Woran hast du dabei gedacht?

 

TANYC: Tatsächlich sind diese Lieder kleine Notizen an mich selbst. Es kann mich schnell wieder in ein Gefühl zurückkatapultieren oder, dass ich dadurch weiß, dass ich so etwas nicht mehr erleben möchte. 

 

Wo und in welcher Stimmung kannst du am besten Songs schreiben?

 

TANYC: Am liebsten bin ich dabei zuhause und schreibe alleine. Dabei muss ich in mich hineinhören. Es ist nicht gut, wenn jemand mitredet. Bei der Produktion ist es vielleicht eine andere Sache, aber bei den ersten intimen Schritten, muss ich alleine sein. 

 

Mit „Never Ask Twice“ gibt es auch ein Duett am Album. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Aaron Brookes?

 

TANYC: „Never Ask Twice“ war eigentlich ungeplant, entstand beim Schreiben am Küchentisch. Es geht darum, dass zwei verschiedene Charaktere existieren dürfen. Jeder lässt die andere Person so wie sie ist. Vielleicht ist das das Geheimnis, warum eine Beziehung funktioniert. Mit den zwei Sichten der Dinge war für mich klar, dass ich gerne ein Duett hätte. Aaron Brookes ist ein unfassbarer Sänger, der Leichtigkeit und Tragik in seiner Stimme hat. Das ist so ehrlich und das hört man. Also dachte ich mir, dass ich ihn gerne am Album hätte - und da singt er schon!

 

Toller Song! Du arbeitest in der Musik auch mit deinem Mann zusammen. Kann das Vor- oder gar Nachteile haben, wenn man sich so gut kennt?

 

TANYC: Wir haben am Anfang versucht, es zu trennen. Aus welchem Grund auch immer, aber wie du schon sagst, vielleicht weil man sich einander zu gut kennt. Bei Cama war er der Leadgitarrist. So haben wir uns auch besser kennengelernt. Wir harmonieren aber so gut im Beruf, dass es eigentlich ein Geschenk ist, es zusammen zu machen. Wir schreiben viel gemeinsam, haben mehrere Bands und sind auch beste Freunde. Es gibt nichts Schöneres, als mit dem besten Freund Sachen zu machen, die man gerne mag.

 

Carmen Tannich-Wallner beim Auftritt mit ihrer Band Cama in Telfs (Tirol) im Sommer 2011. (c) miggl.at
Carmen Tannich-Wallner beim Auftritt mit ihrer Band Cama in Telfs (Tirol) im Sommer 2011. (c) miggl.at

Du hast nun auch Cama erwähnt. Ihr hattet damals einige Hits. Denkst du noch oft an die alten Zeiten?

 

TANYC: Schon sehr oft, da es damals eine echt witzige Zeit mit Matthi war. Es war eine tolle Erfahrung. Wir beide haben so viel gelernt und durften so viel erleben. Es gibt immer noch Running Gags, die wir gerne auspacken. Wir treffen uns nach wie vor und sind gut befreundet. 

 

Wie lange hast du gebraucht, bis du einen Namen für dein Projekt gefunden hast?

 

TANYC: Ich habe viel zu lange um den heißen Brei herumgeredet. „TANYC“ war natürlich auf der Liste mit ein paar anderen Namen und Ideen. Er handelt sich von meinem Nachnamen Tannich, der auch mein Geburtsname ist, und meinem Vornamen Carmen ab. Ich finde ihn schön, da er ein Synonym ist, aber trotzdem mit dem Klarnamen zu tun hat. Das war mir auch wichtig.  

 

(c) Wiktor Franko Photography
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Wann hat es bei dir mit der Musik begonnen?

 

TANYC: Sehr früh, da meine Eltern in den 70er bis 90er Jahren in Tirol ein großes Tonstudio betrieben haben. Als Zweitgeborene nach meiner Schwester bin ich mit der Musik aufgewachsen. Musik war immer präsent. Ein wenig später hatte ich Gesangsunterricht.

 

Welcher Song aus der Kindheit bedeutet dir noch immer etwas?

 

TANYC: Als Kind war ich ein großer Queen-Fan und bin es nach wie vor. Mein Lieblingsalbum war „ A Night At The Opera“. Die Chöre haben mich fasziniert und inspiriert. Pop ist absolut meins!

 

Gibt es einen Stil in der Musik, den du nicht magst?

 

TANYC: Vom Stil her, bin ich gar nicht so befangen. Es kann alles sehr gut sein. Daher urteile ich nicht über Stilistik. Es gibt einen gut produzierten Schlager, ich höre ihn mir zwar nicht an, aber ich weiß die Arbeit zu schätzen. Meine Tochter ist auch sehr musikaffin und hört die eher härtere Musik. Auch die höre ich mir gerne an. Wenn etwas gut gemacht ist, hat es absolute eine Berechtigung. Deswegen ist der Bogen bei mir groß.

 

(c) Wiktor Franko Photography
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Was sagt deine Tochter über deine Musik?

 

TANYC: Sie war schon ein wichtiger Teil bei diesem Prozess, weil ich absolut eine hohe Meinung von ihrem Musikgeschmack habe. Sie ist eine Albumhörerin und hat von den 60er Jahren bis heute alles durchgemacht und sich eine tolle Meinung dazu gebildet. Mit ihren 19 Jahren hilft sie mir manchmal gut und gibt mir Tipps.

 

Wie viel Zeit verbringst du mit Social Media?

 

TANYC: Es ist ein „Muss“ und in einer gewissen Phase macht es auch Spaß, denn du erreichst damit viele Leute. Früher war es etwas komplizierter. Ich reproduziere mich nicht sehr gerne. Mich zum Beispiel fotografieren zu lassen, braucht immer ein bisschen Überwindung. Die Reaktionen darauf sind aber schön!

 

Welche Farbe gibst du deiner Musik?

 

TANYC: Das ist eine gute Frage! Beim Album haben wir uns mit den Farben sehr zurückgehalten. Ich würde sagen pastell-pfirsich. Was vielleicht gar nicht so anmuten lässt, aber für mich ist es eine fröhliche und frische Farbe.

 

Wie beschreibst du dich Leuten gegenüber, die dich nicht kennen? Was können sie sich von deiner Musik erwarten, was können sie entdecken?

 

TANYC: Ich bin ja nicht sehr Mainstream-lastig. Das war eine Entscheidung. Das Schöne bei der eigenen Produktion ist, dass man das letzte Wort hat. Meine Musik ist für jemanden, der musikaffin ist, der sich den Kopfhörer aufsetzt und sich vielleicht über kleine Details freut. Man sollte meine Musik am besten in Ruhe mit Kopfhörer konsumieren. Ansonsten ist es erwachsener Pop, weil ganz viel wegfällt, womit ich in meiner Entwicklung bereits abgeschlossen habe. 

 

(c) Wiktor Franko Photography
(c) Wiktor Franko Photography

Wie stehst du Charts gegenüber? Ist das etwas, wo du vielleicht wieder hinmöchtest?

 

TANYC: Ich bin gerade sehr uninformiert, was aktuell passiert. Ob eine Platte erfolgreich ist oder nicht, hängt sicher heutzutage viel davon ab, wie sie produziert wurde und in welche Richtung man gehen möchte. Für Spotify sind meine Lieder zu lange. „TANYC“ ist ein Ding, das wachsen muss. Es ist ein Debüt. Ich brauche meine Zeit, um es stetig weiter nach vorne zu bringen. Diesen Hit, jetzt und in zwei Monaten ist eh alles vorbei, möchte ich nicht. Ich möchte etwas für mich bauen, das mehr Gewicht hat und längerfristig da ist. Daher habe ich keine Eile und Not.

 

Wir alle hatten durch Corona eine schwere Zeit des Verzichts. Wie ist es dir ergangen? Hast du dir neue Fähigkeiten angeeignet?

 

TANYC: Es sind ganz viele Prozesse seit dem ersten Lockdown losgetreten worden. Ich mache schon sehr lange Musik und es gibt keine Woche, in der ich nicht mit Musik arbeite. So ein „Break“ war absolut unerwartet. Wenn ich es rückblickend betrachte, habe ich es für mich auch gebraucht. Zwei Monate lang habe ich keinen Ton gesungen. Ich hatte kein Bedürfnis mich irgendwie herzuzeigen. Für mich war auch kein Balkonkonzert drinnen. Ich habe es absolut genossen. Es war eine geschenkte Zeit für mich. Meine Tochter war im Ausland auf dem College, später dann aber doch bei mir. Somit hat man sich ein bisschen über die gemeinsame Zeit gefreut, als es draußen drunter und drüber ging. Wir sind in dieser Zeit auch in eine neue Wohnung gezogen, das Timing war für uns okay. Dann habe ich wieder mehr geschrieben, bin mehr am Klavier gesessen. Ich schneide meine Videos auch selbst, habe mich in viele Computerprogramme hineingefuchst. Berichte darüber gelesen, es probiert und die Nerven weggeschmissen - um es dann wieder zu probieren. Die Zeit habe ich gut genutzt, mich neu justiert und weiß nun, was ich nicht mehr machen möchte. 

 

Albumcover „TANYC“. (c) Wiktor Franko Photography
Albumcover „TANYC“. (c) Wiktor Franko Photography

Das Musikvideo zu „Beautiful“ spiegelt eine schöne Stimmung wider. Wo habt ihr es aufgenommen?

 

TANYC. Das war bei mir zuhause bei Seefeld. Eine wunderschöne Stimmung mit den Wäldern. Diese Natur ist einfach ideal zum Runterkommen und Entspannen. Der Song und die Kulisse, die ich immer sehe, waren stimmig. Auch der Schluss mit dieser Animation, wo man in eine kleine Fantasiewelt geht.

 

Was schätzt du an einer Großstadt wie Wien?

 

TANYC: Eine Stadt im Sommer hat absolut etwas. Ich mag es gerne heiß. Ich genieße meine Tage hier, merke aber schnell, dass es mich wieder heimzieht. Ich bin ein Landei geworden. Oder vielleicht war ich es immer schon.

 

Interview: POPMAGAZIN.at / Hans Juergen Gernot Miggl, veröffentlicht am 07.07.2021

 

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