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Ethel Merhaut im Interview: „Das sind Rollen, in die ich schlüpfen möchte"

(c) Julian Mullan, Mato Johannik
(c) Julian Mullan, Mato Johannik
(c) Mato Johannik
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WIEN. „Süss & Bitter" heißt das neue Album der Sängerin Ethel Merhaut (32). Erst hat sie sich der klassischen Musik verschrieben, ehe sie die Unterhaltungsmusik der 20er und 30er Jahre für sich neu entdeckte. Wie sie zu dieser Liebe fand und was sie von Chartmusik á la Ariana Grande hält, verriet die Wienerin im POPMAGAZIN-Interview mit Redakteur Hans Juergen Miggl. 

 

POPMAGAZIN: Dein neues Album heißt „Süss & Bitter". Du lässt dabei Stücke aus der Unterhaltungsmusik der 1920er und 1930er Jahre wieder aufleben. Woher kommt deine Liebe zur Musik aus dieser Zeit? 

 

ETHEL MERHAUT: Die hat sich langsam nach dem klassischen Gesangsstudium entwickelt. Aus dem Repertoire habe ich dann viel gesungen, immer mehr habe ich mich zu diesem Stil hingearbeitet. Jetzt mache ich das zum größten Teil.  

 

Sechzehn Songs finden sich auf der Platte. Wie schwer war die Auswahl für dich? 

 

ETHEL: Viele dieser Lieder singe ich schon seit einiger Zeit. Die sind irgendwie schon meine Babys. Bei denen habe ich mir gedacht, dass diese unbedingt auf das Album müssen. Einige weitere Songs nahm ich noch dazu, bei denen ich mir dachte, dass sie gut dazu passen würden. Man muss ja auch schauen, dass auf so einer CD eine ganze Welt dargestellt wird. Schnell und langsam, feurig und leidenschaftlich oder auch ruhig. Alle Aspekte sollten gezeigt werden. Diese Lieder haben sich dann einfach herauskristallisiert.  

 

Zu welchem Song hast du einen persönlichen Bezug. Wo sagst du, dass du dich wiederfindest oder einen Teil deines Lebens?  

 

ETHEL: Da ich mir jedes Lied erarbeitet habe, versuche ich zu jedem einen eigenen Bezug herzustellen. Es gibt Lieder, wo man allgemeiner ist und andere, wo man spezifischer ist. In keinem Interview bislang habe ich über „Irgendwo auf der Welt" gesprochen. Dieser Song ist ganz am Ende der CD, wo auch das tragische Schicksal der Comedian Harmonists mitschwingt, die Österreich verlassen mussten. Diese verlorene Sehnsucht zu diesem kleinen bisschen Glück assoziiere ich natürlich schon mit dieser Zeit der Vertreibung. Dann gibt aber so Lieder wie "Alois" oder „Die Kleptomanin", wo ich mich auch in andere Frauentypen hineinversetze, die entweder wie bei „Alois" so sehnsuchtsvoll verschmachtend sind und die nichts so schnell aus der Bahn wirft oder bei der „Kleptomanin", die unbedingt immer alles haben und stehlen möchte. Das sind einfach so Rollen in die ich schlüpfen möchte, aber trotzdem auch Teil von mir sind.

 

(c) Mato Johannik
(c) Mato Johannik

Zu Alois" gibt es auch ein sehr schönes Video, das im Wiener Semper Depot aufgenommen wurde. Welche Geschichte gibt es zwischen diesem von Alter her sehr ungleichem Paar (ältere Dame und junger Mann; d. Red.)?

 

ETHEL: Ich wollte es unbedingt mit einer älteren Dame besetzen, da ich es einfach anders machen wollte, wie man es sich vorstellt. In einem Kaffeehaus habe ich noch vor dem ersten Lockdown eine Dame gesehen, die mir sehr gut gefiel. Sie war auch exzentrisch und hat dann tatsächlich zugesagt. Und dieser Mann aus dem Video ist wirklich ihr Tangolehrer mit dem sie jede Woche Tango tanzt.  

 

Das passt dann voll gut zusammen! Wenn wir nun wieder auf deinen Werdegang zurückkommen: Du hast klassischen Sologesang studiert. Warum hast du dich für diese Ausbildung entschieden?

 

ETHEL: Ich war immer schon so ein klassischer Typ, habe klassisches Ballett gemacht, klassisches Klavier gespielt und habe ich immer wieder gesungen. So kam für mich eigentlich nie etwas anderes in Frage. Ich war damals so fokussiert, dass ich dachte, dass man nur klassische Sängerin sein kann. So bin ich in dieses Genre gekommen. Ich wusste damals nicht, was mich genau gewartet, was den Beruf eines Opernsängers erfordert oder wie schwer er ist. Das war mir nicht bewusst. Mit 17 Jahren weiß man es noch nicht so wirklich. Nach meinem Studium bin ich in diese andere Schiene hineingeschlittert. 

 

Was waren deine größte Rollen im klassischen Bereich, die du gesungen hast?

 

ETHEL: Ich war bei Schostakowitsch' „Die Nase" mit dabei. Habe klassische Konzerte in New York, Mexiko und London gespielt. Oder auch die Stasi in der „Csárdásfürstin" interpretiert. Operette mache ich teilweise noch immer, das habe ich noch nicht ad acta gelegt. Aber so von der Opernwelt her, habe ich mich eher abgewendet. 

 

(c) Julian Mullan
(c) Julian Mullan

Wir hatten sehr lange Lockdown. Kulturell war daher, abgesehen von einigen Streaming-Angeboten, nur wenig los. Wie konntest du so lange ohne Auftritte durchhalten? Wie hast du diese Zeit sinnvoll nutzen können?

 

ETHEL: Hätte ich diese CD nicht gehabt, würde es mir psychisch sicher schlechter gehen. Nach der Produktion und dem Mastering habe ich in dieser Zeit einfach dran gearbeitet, wie man sie am besten präsentieren kann. Das hat mich ein bisschen am Leben gehalten. Ich habe sehr viel geübt, gelernt und mich stimmlich weitergebildet. 

 

Ein paar Live-Termine stehen nun schon fest. Auf welchen freust du dich am meisten?

 

ETHEL: Ich freue mich wirklich auf jedes Konzert! Es sind unterschiedliche Venues: große Open Airs oder auch kleine Auftritte mit der Band. Auf die freue ich mich genauso. Schön, wenn man endlich wieder auftreten darf! Es sind verschiedene Räume und auch Programme. 

 

Wen möchtest du mit deiner Musik erreichen?

 

ETHEL: Ich muss sagen, das fragt man mich immer und ich sage: eigentlich jeden! Jeden, den diese Musik gefällt. Ich finde, dass das wirklich alterslos ist. Freunde und Bekannte sagen mir, dass das ihre kleinen Kinder gerne hören und richtig lustig finden. Natürlich kenne ich auch ältere Leuten, denen es gefällt und vor allem Leute in meinem Alter zwischen 30 und 40 Jahren, die irgendwie einen Bezug dazu haben. Das war eigentlich auch mein Ziel, weil ich es nicht probiere es als eine Art Reminiszenz zu machen, sondern für mich neu adaptiere. Es ist für jeden, der Lust an so einem Repertoire und gesanglicher Improvisation hat.

 

(c) Julian Mullan
(c) Julian Mullan

Kannst du mit Chartmusik à la Ariana Grande umgehen? Empfindest du dabei etwas? 

 

ETHEL: Ich finde, dass Ariana Grande eine super Sängerin ist. Es gibt viele Popstars, die extrem gute SängerInnen sind, Beyoncé zum Beispiel. Lady Gaga ist eine der besten Performerinnen, da sie immer am Punkt ist. Ich schaue mir das schon an, da kann man viel lernen. Ich will keine Popsängerin werden, aber mich imponieren schon auch solche Lieder. Es ist absolut wichtig neue Musik zu hören und zu schauen, was passiert. Vor allem SängerInnen, die Ausflüge in den Soul-Bereich machen, beeindrucken mich. 

 

Das Album „Süss & Bitter" erschien am 7. Mai 2021 bei Sony Masterworks.
Das Album „Süss & Bitter" erschien am 7. Mai 2021 bei Sony Masterworks.

Ist Religion ein Thema für dich?

 

ETHEL: In meinem Beruf überhaupt nicht. Im privaten Bereich würde ich sagen, dass ich Traditionen verschrieben bin. Aber ich bin kein religiöser Mensch.

 

Was gibt dir im Leben Kraft?

ETHEL: Meine Familie!

 

Interview: POPMAGAZIN.at / Hans Juergen Gernot Miggl, 25.05.2021

 

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