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POPMAGAZIN-Interview mit TILL BRÖNNER: „Corona ist für mich Anti-Kunst!"

Till Brönner bei den Aufnahmen zum Album "On Vacation". (c) Sony Entertainment / Gregor Hohenberg, Till Brönner
Till Brönner bei den Aufnahmen zum Album "On Vacation". (c) Sony Entertainment / Gregor Hohenberg, Till Brönner
Till Brönner. (c) Sony Entertainment / Gregor Hohenberg
Till Brönner. (c) Sony Entertainment / Gregor Hohenberg

BERLIN. TILL BRÖNNER gilt für viele in der Jazzbranche als Weltstar - Made in Germany. Der Trompeter versetzt seine Hörer gemeinsam mit Bob James auf dem neuen Album On Vacation in Urlaubsstimmung. Im POPMAGAZIN-Interview mit Redakteur Hans Jürgen Miggl spricht er u.a. über die Studioaufnahmen in der Provence, seine Wutrede zu den Maßnahmen der Regierung im Kulturbereich und über seine Liebe zur Fotografie.

 

POPMAGAZIN: Till, dein aktuelles Album On Vacation geht richtig ins Ohr. Man fühlt sich wie im Urlaub! Gerade bei den frostigen Temperaturen, die wir nun erleben. Ihr habt diese Platte in der Provence in Südfrankreich aufgenommen. Warum habt ihr diese Region gewählt?

TILL BRÖNNER: Die Provence war aufgrund des Tonstudios, das wir schon seit sehr vielen Jahren kennen, ein super Ort dafür. Wir hatten schon seit längerer Zeit vor, dorthin mal eine Produktion zu verlegen. Als die Zusammenarbeit mit Bob James im Raum stand, war der Moment gekommen. Wir beide haben uns von unserem Fleckchen Erde, von dem wir herstammen, also ich aus Berlin und Bob aus Michigan, sozusagen im Ozean getroffen. Also dachten wir: Fahren wir nach Frankreich! 

 

Wie hast du Bob James kennengelernt?

TILL: Vor 14 Jahren hatten wir uns auf einem Festival am Stadtrand von Madrid kennengelernt. Der Moment, als ich merkte, was dieser Typ am Klavier draufhat, war beeindruckend. Interessant war es für mich zu sehen, wie er sich neben der Bühne warmspielte. Ich dachte mir, dass es Spaß machen könnte, sich mal gemeinsam auf eine Fährte zu begeben. Zwölf Jahre später haben wir uns auf Sylt in Norddeutschland, wo ich ein Festival programmieren durfte, wieder getroffen. Ich engagierte ihn mit seinem Trio. Bei dieser Gelegenheit stellte sich heraus, dass er der ideale Duopartner ist. 

zur Fotografie.

 

Till Brönner und Bob James. (c) Sony Entertainment / Gregor Hohenberg
Till Brönner und Bob James. (c) Sony Entertainment / Gregor Hohenberg

Wie lange hat die Phase der Produktion im Frankreich gedauert? 

TILL: Die Studioaufnahme selbst hat ein wenig zäh begonnen, weil wir nicht so richtig wussten, in welche Richtung es gehen sollte. Das klingt erst mal so harmonisch aus der Bühnenerfahrung, also müsste das alles auch im Studio so weitergehen. Aber es war tatsächlich so, dass sich Bob James in der Zwischenzeit viele Gedanken machte und das hängt mit der persönlichen Erfahrung zusammen, die man gerade so für sich neu erlebt. Gerade Bob James ist einer, der auch im hohen Alter immer noch sehr viele neue Themen angreift und Entwicklungen aus spontaner Entscheidung trifft. Er ist einfach ein lebensfreudiger Typ. Wie haben einige Tage diskutiert, bevor wir mit einem Song starteten. Die Zeit war auch nötig. Als wir diesen ersten Song Basin Street Blues hatten, war der Rest so etwas Ähnliches wie ein Durchmarsch.  

 

Deine Wutrede in den Sozialen Medien gegen die Maßnahmen der Deutschen Bundesregierung, die die gesamte Kulturszene lahmlegt, fand auch in Österreich großen Anklang. Wenn du in der Politik wärst, was wäre dann anders?

TILL: Diese Frage stellt sich nicht, da es mein Ziel ist, Künstler zu bleiben. Was mich voll schockiert hat war, dass sich so wenige Künstler lautstark zu Wort gemeldet haben und, dass auch der Zugang der Politik Deutschlands zu den Künstlern ein noch zu ferner ist. In fast jedem Kulturartikel wurde auf meinen Post hingewiesen. Ich stehe zu diesem Post mit jedem Wort. Selbstständige Kulturschaffende kommen nicht oder nicht ausreichend an Hilfen, obwohl sie in Aussicht gestellt wurden.Dazu ist Zielungenauigkeit zu beklagen. Es geht nicht darum zu jammern, aber darum, dass es eine Branche gibt, die vor Corona nicht in der Krise war. Die durch Corona vor allem nicht arbeitslos geworden ist, sondern faktisch durch einen Berufsstopp kaltgestellt ist. Mit welcher Selbstverständlichkeit man diese Menschen auf Programme verwies, die für sie gar nicht greifen oder zutreffen, fand ich schlimm.

 

Auch bei der stressigen Albumaufnahme kann man sich eine Pause gönnen. (c) Sony Entertainment / Gregor Hohenberg
Auch bei der stressigen Albumaufnahme kann man sich eine Pause gönnen. (c) Sony Entertainment / Gregor Hohenberg

Auch in Österreich ist die Lage nicht besser. Hier werden freischaffende Künstler genauso zu Bittstellern degradiert.

TILL: Das Ganze geht schon seit März. Jetzt hat man sich in Deutschland zumindest für den Monat November überlegt, dass man eine Auszahlung, gemäß den Einkünften aus dem Vergleichszeitraum 2019, tätigt. Dies wird wohl auch verlängert werden. Insgesamt ist es für eine Kulturnation ein beschämender Umgang mit einer wirklich nennenswerten Mehrheit im Land. Vor allem aus Kultursicht ist die Spaltung der eigenen Szene bedenklich, da die Message dahinter lautet: fest angestellt ist gut, freiberuflich tätig zu sein ist schlecht.  

 

Bei all den negativen Begleiterscheinungen durch Corona: Gibt es dennoch für dich einen Punkt, den du positiv siehst? 

TILL: Auf positive Art und Weise war man gezwungen sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Was auch wichtig war. Was ich nicht so wahnsinnig vermisst habe, war das Reisen, da ich in den letzten Jahren in Dimensionen gekommen bin, wo ich an die Grenzen meiner Leistungsfähigkeit gestoßen bin. Klar, ich vermisse Konzerte, das Ungezwungene und das Zwischenmenschliche. Ansonsten ist für mich Corona das Unkünstlerischste, das ich bis dato erlebt habe. Corona ist für mich Anti-Kunst. Ich erwarte nichts sehnlicher als die Zeit, wo die Masken der Vergangenheit angehören werden.

 

Berlin ist dein Lebensmittelpunkt, einen weiteren Wohnsitz hast du in Los Angeles. Wo fühlst du dich "mehr" zuhause?

TILL: Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich im Herzen Europäer bin. Ich bin in Deutschland geboren, lebe in Deutschland und kenne Deutschland auch sehr gut. So bin ich noch immer ein großer Fan dieses Landes mitsamt allen Möglichkeiten. Wir haben trotzdem immer die Tendenz gehabt, zu sehr von uns überzeugt zu sein. Der Grad der Schnelligkeit, in den man in Deutschland Antworten auf Probleme gibt, hat mir schon immer nicht sehr behagt. Im europäischen Verbund fühlte ich mich generell am wohlsten. Das hängt mit dem kulturellen Background zusammen. Das, wofür Amerika letztlich berühmt wurde, fehlt mir aber hier. Konkret: Wenn in Los Angeles jemand eine gute Idee hat, dann gibt es von zehn Leuten sicher acht, die sagen: "Toll! ich weiß genau, was du meinst! Was für eine schöne Idee!" Und in Deutschland ist es genau umgekehrt.

 

Till Brönner fotografierte das Cover selbst. (c) Till Brönner
Till Brönner fotografierte das Cover selbst. (c) Till Brönner

Ja, das kenne ich auch von Österreich sehr gut. 

TILL: Das ist in meinen Augen ein mentaler Hemmschuh, den wir nicht richtig loswerden.

 

Du bist auch ein großartiger Fotograf. Woher kommt die Liebe zur Fotografie?

TILL: Ich habe mich über viele Jahre mit Fotografie indirekt auseinandergesetzt, weil ich oft fotografiert wurde. Mich hat immer die Frage über die Jahre getrieben, warum machen so wenige Fotografen verbleibende Fotos, obwohl sie doch alle mit ähnlichem Equipment arbeiten? Irgendwann hatte ich das Gefühl diese Frage buchstäblich näher beleuchten zu wollen. Nach intensiver Auseinandersetzung wurde mir klar, dass Fotografie und Jazz sehr vieles gemeinsam haben. Als ich vor ca. 15 Jahren die Kamera in die Hand nahm, merkte ich schnell, dass das eine dauerhafte Liebesbeziehung werden könnte. Mehrmals versuchte ich dennoch, sie längerfristig wieder aus der Hand zu legen, weil sie viel Zeit und Widmung in Anspruch an. Ich hatte das Gefühl, nun auf der Trompete nicht mehr fit genug zu sein. Die Fotografie ist aber immer wieder zu mir zurückgekommen. Es ist offenbar etwas, das in mein Leben gehört.

 

Du hast auch das On Vacation-Albumcover selbst fotografiert.

TILL: Ja, das habe ich so schon mehrere Male gemacht. Das sind einfach Dinge, die eine weitere Ergänzung und eine Art verlängerter Arm in meiner musikalischen Laufbahn sind. Für mich macht das alles am Ende des Tages Sinn.

 

Wie viel Nähe deiner Fans lässt du zu?

TILL: Ich muss mit großer Dankbarkeit sagen, dass ich Fans habe, die wirklich extrem kultiviert, freundlich und zurückhaltend sind. Es ist einfach so, dass ich beseelt auf dieses Publikum schauen kann und merke, dass da eine Menge gegenseitiger Austausch ist. Generell merkt man in so einer Zeit wie jetzt, dass das Publikum nur darauf wartet, dass man als Künstler irgendwann wieder eine musikalische Wortmeldung von sich gibt. Das spornt an. Ich habe immer geglaubt, dass sich nach Corona auch ein großer Hunger angesammelt haben wird, man wieder Konzerte besucht und, dass man sich wieder sicher fühlen darf. Es wird noch ein weiter Weg sein, aber die Zeit wird kommen. Da bin ich mir ganz sicher.

 

Wir hoffen es auch! Welchen Bezug hast du zu Österreich?

TILL: Einen großen Bezug! Als Kind verbrachte ich oft meinen Urlaub bei euch. Das geht bestimmt vielen Deutschen so. Über die Jahre lernte ich immer wieder Musiker kennen u.a. Fritz Pauer. Mit ihm habe ich länger gespielt. Er war für mich ein großer Einfluss. Eine sehr intensive Freundschaft fürs Leben pflege ich mit dem Fotografen Andreas Bitesnich. Er hat schon sehr viele schöne Fotos von mir gemacht. Unser Austausch ist sehr intensiv, da er auch Musiker ist. Wir sind mittlerweile so etwas Ähnliches wie Geschwister. Von ihm lernte ich sehr viel über die Kamera und über Österreich. Herr Kurz kommt medial in Deutschland sehr gut weg. Er ist ein wahnsinnig guter Formulierer seiner Botschaften.   

 

Interview: POPMAGAZIN.at / Hans Juergen Gernot Miggl, veröffentlicht am 04.04.2021

 

STECKBRIEF: TILL BRÖNNER

 

Geboren am 6. Mai 1971 in Viersen (D), aufgewachsen in Italien.

Lebt in: Berlin-Charlottenburg (D) und Los Angeles (USA).

 

Lieblingsspeise: Österreichische Küche, vor allem Gulasch.

Lieblingsgetränk: Weiß- und Rotwein. 

 

Hört gerne: Johnny Mandel ("The Shadow Of Your Smile").

 

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