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POPMAGAZIN-Interview mit Ewald Tatar (Nova Rock): "Unsere große Hoffnung liegt am Impfstoff!"

Der Burgenländer Ewald Tatar ist einer der wichtigsten Veranstalter des Landes. (c) Marija Kanizaj, Heimo Spindler
Der Burgenländer Ewald Tatar ist einer der wichtigsten Veranstalter des Landes. (c) Marija Kanizaj, Heimo Spindler
2020 war ein Horrorjahr für Ewald Tatar. (c) Marija Kanizaj
2020 war ein Horrorjahr für Ewald Tatar. (c) Marija Kanizaj

WIEN. Der Burgenländer EWALD TATAR ist einer der wichtigsten Veranstalter Österreichs. Kult-Festivals wie Nova Rock, Frequency, Lovely Days und diverse Konzerte richten er und sein Team jährlich aus. Im POPMAGAZIN-Interview mit Hans Jürgen Gernot Miggl spricht er über die Covid-Krise, den Mattersburger Bankenskandal, seine Anfänge in der Musikbranche und seinen Berufswunsch in der Kindheit. 

POPMAGAZIN: Wir blicken auf einen Sommer zurück, der für uns alle anders war. Und auch der Herbst ist es. Wie hast du die letzten Monate erlebt, beruflich und privat?

EWALD TATAR: Für mich war der Sommer sehr turbulent. Ich hatte zwar aufgrund der Covid-Krise keine Konzerte. Es hat sich schon angebahnt, dass auf uns sehr viel Stress zukommen wird mit sämtlichen Verschiebungen, die bereits im März 2020 begonnen haben. Und die vielen Absagen. Zuletzt war es auch so, dass unsere Firma, die Barracuda Holding, leider durch den Skandal rund um die Commerzialbank Mattersburg (Barracuda Holding veranlagte dort rund 34 Millionen Euro; Ann. d. Red.) gelitten hat. Es waren viele schwere Wochen. Nun stehen wir wieder besser da. Unsere Mutter, die CTS EVENTIM aus Deutschland, hat uns wirtschaftlich aufgefangen. Nun können wir wieder nach vorne blicken. 

 

Du hast es bereits angesprochen: der Skandal rund um die Commerzialbank Mattersburg. Würdest du im Nachhinein sagen, dass es dein größter Fehler war, euer Kapital dort zu veranlagen? Und es nicht
z. B. auf mehrere Geldinstitute zu splitten?

Ich war über 20 Jahre Geschäftskunde dieser Bank. Es hat in dieser Zeit nie in irgendeiner Art und Weise ein Zeichen gegeben, dass man sich nicht auf die Bank verlassen könnte. Es sind leider sehr viele diesem Konstrukt auf den Leim gegangen. 

 

Letztes Jahr hast du deine 71 Prozent Anteile an deiner Firma Barracuda Holding an CTS EVENTIM Deutschland verkauft. Welche Symbiosen hat es bisher gegeben?

Die Symbiosen konnten durch die Absagen noch nicht eintreten. Letztendlich war es ein wichtiger und richtiger Schritt, wie man nun anhand der Commerzialbank gesehen hat. Hätte es CTS EVENTIM nicht gegeben und hätten sie nicht so schnell und flexibel reagiert, auch mit sehr großer Fairness, würden wir beide wohl nun nicht miteinander telefonieren. Dann wäre sicher die Barracuda Holding knapp vor dem Aus gewesen.

 

Reges Medieninteresse aus dem In- und Ausland am Nova Rock-Festival. Veranstalter Ewald Tatar stellte sich den Fragen der ReporterInnen. (c) Heimo Spindler
Reges Medieninteresse aus dem In- und Ausland am Nova Rock-Festival. Veranstalter Ewald Tatar stellte sich den Fragen der ReporterInnen. (c) Heimo Spindler

Wenn du nun einen vorsichtigen Blick in die nahe Zukunft, also auf das Jahr 2021, machen kannst: Denkst du, dass die Covid-Krise die Musikbranche nachhaltig verändern wird? Sei es in positiver oder negativer Hinsicht?

Nachhaltig verändern wird es die Branche definitiv. Das merkt man schon jetzt. Für uns ist das Jahr 2020 bereits abgeschlossen. Große Hoffnung bei uns liegt am Impfstoff. Und natürlich, dass der Anfang 2021 da ist. Die Hoffnung ist auch da, dass unserem Herrn Gesundheitsminister trotz eines Impfstoffes, der dann möglicherweise da ist, nicht weitere Schikanen einfallen, die uns Veranstaltern schließlich erneut auferlegt werden. So, wie es bei den Grenzen funktioniert hat oder besser gesagt nicht funktioniert hat, auf Zuruf dann wieder irgendwelche Dinge zu kreieren - das wird bei uns nicht funktionieren. Wir haben wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass wir viel längere Planungssicherheit brauchen. 

 

In der Zeit des Lockdowns und auch danach gab es immer wieder Livestreaming-Konzerte auf diversen Plattformen im Internet. Ist das eine Möglichkeit für MusikerInnen, die sich etablieren kann? Auf professioneller Ebene mit Ticketverkauf? Zusätzlich zu richtigen Konzerten?  

Meine persönliche Meinung ist, dass es eine gute Idee und Alternative war, auch im Lockdown und in der derzeitigen Situation. Persönlich glaube ich nicht daran, dass das eine Zukunft haben wird. Speziell, wenn man dadurch Geld verdienen möchte. Das Live-Erlebnis, das vor Ort sein, kann man durch nichts ersetzen. Ich hoffe, dass bald wieder eine normale Situation eintritt.

 

Wie ist es für dich als Veranstalter? Wann kannst du bei einem Konzert oder Festival ein wenig abschalten und es auch genießen?

Bei einem Festival wie dem Nova Rock, ist es nicht möglich. Natürlich geht man immer wieder nach vorne oder fährt am Gelände herum und sieht sich den ein- oder anderen Act teilweise an. Ganz, ganz selten vielleicht das ganze Konzert. Aber abschalten gibt es bei mir nur ganz selten. Bei einem Konzert hat man selbst wenig vor Ort zu tun, dann kommt es schon immer wieder vor, dass man sich hinstellt oder -setzt und abschalten kann.

(c) Marija Kanizaj
(c) Marija Kanizaj

Wenn wir nun auf deine Anfänge bei den Wiesen Festivals zurückkommen. Was war für dich das Reizvolle Veranstalter zu werden? 

Ich bin, ehrlich gesagt, in diesen Bereich hineingeschlittert. Das war nicht geplant und war auch nie mein Ziel. Ein Step ergab einfach den nächsten. Irgendwann war ich mittendrin: "Du bist nun Programmchef und derjenige, der verantwortlich ist für das Ganze und auch fürs Booking. 

 

Du hast mittlerweile schon richtig viele Konzerte und Festivals veranstaltet. Was war dein absoluter Höhepunkt dabei?

Höhepunkte gab es genug. Positive, wie auch negative. Ich mag nicht irgendetwas hervorheben. Faktum ist, dass ich, wie ein Profifußballer, sagen kann, mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Das ist vielleicht der einzige Höhepunkt, den man herauspieken kann, wenn man sein Berufsleben so führen darf. 

 

Hast du jemals daran gezweifelt? Damals, dass es vielleicht nicht klappen kann? Wenn ich an dein erstes Konzert mit Candy Dulfer in der Arena Wien denke, das im Ticketverkauf weit unter deinen Erwartungen blieb?

Ja, sicher waren diese Gedanken präsent. Mein Team und ich waren immer von uns überzeugt - Gott sei Dank. Und haben auch, so blöd es nun klingen mag, nicht sehr weit gedacht. Hätten wir dies damals getan und würde ich nun in dieser Situation sein, hätte ich wahrscheinlich viele dieser Schritte so nicht gemacht. Insofern war es gut, dass wir nicht so weit nach vorne geschaut hatten. Es war besser für uns, ins kalte Wasser zu springen.

 

Du bist immer offen für neue Musikrichtungen. Gibt es dennoch irgendetwas, das du strikt ablehnst?

Privat höre ich verschiedenste Musikrichtungen. Das hat sich schon aus meiner damaligen DJ-Tätigkeit ergeben. Auch im Booking-Bereich in Wiesen musste ich in diversen Musikrichtungen "zuhause sein". Insofern würde ich mich musikalisch nicht als Spezialist, sondern als Allrounder bezeichnen. Was nicht bei mir geht, ist so etwas wie ein Schlager. Wobei, das stimmt auch nicht ganz, denn der gute alte deutsche Schlager der 1970er Jahre ist wiederum etwas, das Kindheitserinnerungen weckt. Das geht schon ab und zu. Aber dieser neue moderne Schlager geht bei mir gar nicht. Gott sei Dank!

 

Über die Jahre trifft man immer wieder MusikerInnen und Bands, auch abseits des Festivals oder eines Konzerts. Hat sich bei dir schon so etwas wie eine Freundschaft einem Star ergeben?

Tiefgreifende Freundschaften eher weniger. Freundschaften im Sinne, dass man sich ab und an sieht und vielleicht auch das ein- oder andere Glas miteinander trinkt - die gibt es schon. Dennoch, es ist ein Geschäft, dass auch immer wieder nette Menschen mit sich bringt! Das ist das Schöne daran.

 

Okay, verstehe. In deiner frühen Kindheit gab es einen ganz anderen Berufswunsch?

Im Volksschulalter wollte ich immer Tierarzt werden. Auch in der frühen Gymnasiumzeit war dieser Wunsch noch aufrecht. In diesem Alter war es für mich ein berufliches Ziel. Die Gründe waren, dass ich schon immer großes Interesse an Natur, Tieren und Pflanzen hatte und noch habe. Spätestens, als ich Latein am Gymnasium hatte, waren diese Bestrebungen zu Ende. Ich wusste, dass Latein und ich keine Freunde werden können.

 

Hast ein Musikinstrument erlernt?

Natürlich habe ich es immer wieder versucht. Ich wollte irgendwann Saxophon lernen. Da hat man mir aber gesagt, dass das nur geht, wenn man vorher Flöte beherrscht. Ich habe tatsächlich mit Blockflöte begonnen. Den Klarinettensprung habe ich mir nicht mehr angetan. Somit war das Saxophon Geschichte. Kurz probierte ich Gitarre. Für "Blowin' In The Wind" hat es gereicht. Irgendwann kaufte ich mir ein Schlagzeug, wo ich ein paar Monate drauf lostrommelte. Das war aber nicht das Gelbe vom Ei. Und damit war es vorbei mit den Instrumenten.

 

Andere Frage: Bist du auch ein Sammler von Vinyl-Platten, CDs, Plakaten und anderem?

Als DJ bin ich im Vinyl-Zeitalter groß geworden. Bei mir gab es noch keine CDs. Daher habe ich eine große Vinyl-Sammlung. Ich kaufe mir nach wie vor viele Vinyls. Mittlerweile hat sich eine beträchtliche Sammlung ergeben. Da sind sicher sehr viele Sammlerstücke dabei. Auf die stoße ich immer wieder zufällig. Ein bewusster Sammler bin ich aber nicht. 

 

Was war deine erste Platte, die du dir gekauft hast?

Die erste Platte, die ich mir selbst kaufte, war definitiv eine Beatles-Platte. Welche genau, weiß ich aber nicht mehr. 

 

Sind die Beatles deine Lieblingsband?

Sie waren auf jeden Fall eine wichtige Band für mich. Ich habe eine Zeit lang nur Beatles gehört und stieg mit ihnen in die Szene ein. Dann wurde der Kreis immer breiter und größer. 

 

Wenn du nun an die österreichische Musikszene denkst: Gibt es jemanden, den du richtig gut findest?

Da gibt es wirklich einige Acts. Ich möchte niemanden herauspieken. Dann sind womöglich andere "angefressen".  Man kann schon sagen, dass die österreichische Musikszene wohl noch nie so gut aufgestellt war wie heute. Und richtig innovativ. Natürlich hatten wir einen Falco, der eine Ausnahmeerscheinung war. Und immer wieder andere MusikerInnen, die international Erfolge feiern konnten. 

 

Würdest du jemanden raten einen ähnlichen Weg wie deinen einzuschlagen?

Raten möchte ich niemanden etwas. Es kann immer schiefgehen. Das Veranstaltungsgeschäft ist ein Hochrisikogeschäft. Da kann relativ schnell viel zerstört werden. Das auch nachhaltig. Natürlich ist es aber auch ein sehr schönes Geschäft. Den einzigen Rat, den ich geben kann: einfach ganz bedacht und vorausschauend in dieses Geschäft reingehen. Folglich die Risikoabschätzung so gut wie möglich treffen. Das wäre eine Empfehlung, an die ich mich selbst nie hielt. Ich muss aber sagen, dass ich in einer früheren Zeit groß wurde. Damals lief es noch anders und es gab weniger Konkurrenz. Vor allem die internationale Konkurrenz wurde heutzutage größer.

 

STECKBRIEF: Ewald Tatar

Familienstatus: In einer Beziehung mit der Architektin und Unternehmerin Caroline Palfy.

Wohnort: Forchtenstein/Burgenland.

Lieblingsspeise: Esse sehr, sehr gerne und auch viel. Es kommt, wie in der Musik, auf meine Stimmung an und worauf ich Appetit habe. Internationale Küche und auch unsere Hausmannskost.

Lieblingsgetränk: Rum.

Lieblingsplatz: Dort, wo ich mich gerade wohlfühle.