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POPMAGAZIN-Interview mit Hubert von Goisern: "Ich suche Ausnahmesituationen!"

Nach langer Zeit meldet sich Hubert von Goisern mit "Zeiten & Zeichen zurück. (c) Konrad Fersterer
Nach langer Zeit meldet sich Hubert von Goisern mit "Zeiten & Zeichen zurück. (c) Konrad Fersterer
Auf Huberts neuer Platte, ist im Song "Freunde" auch Rapper Dame zu hören. (c) Stefan Wascher
Auf Huberts neuer Platte, ist im Song "Freunde" auch Rapper Dame zu hören. (c) Stefan Wascher

Hubert von Goisern ist einer der vielseitigsten Musiker Österreichs. Nach langer Auszeit meldet er sich mit seiner Platte Zeichen & Zeiten zurück. POPMAGAZIN-Redakteur Hans Jürgen Gernot Miggl sprach mit ihm über den Nationalsozialismus, Corona, sein neues Album, Eisbären und was er gerne privat hört.

 

POPMAGAZIN: Deine neue Platte Zeichen & Zeiten ist musikalisch sehr vielfältig. Im Song Freunde werden die Vocals auch von Opernsänger Andreas Schager und dem Rapper Dame getragen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit? 

HUBERT VON GOISERN: Eigentlich hätte es ein Duett zwischen Opernsänger Andreas Schager und mir werden sollen. Dann habe ich einen Artikel in einer Tageszeitung über einen Salzburger Rapper gelesen, der eigentlich sehr bekannt ist. Persönlich hatte ich davor noch nie von ihm gehört. Ich dachte mir einfach, den ruf ich mal an und frage ihn, ob er vorbeikommen mag. Ich habe mich sehr gefreut, dass Dame spontan mit dabei war. 

 

Das Video, das ihr im Lehár Filmtheater in Bad Ischl gedreht habt, wurde richtig stark. War es tatsächlich so geplant, dass es dort stattfinden soll wegen Franz Lehár?

Es war geplant, dass ich ein Video darüber machen möchte. Die erste Idee war, historische Bilder zu finden, sie am Boden auszulegen und per Kamera darüberzufahren. Durch das Darüberfahren wollte ich eine Bewegung entstehen lassen. Dazu hätte es aber viele Bilder gebraucht. Ein paar Bilder bekam ich aus der Nationalbibliothek, aber ansonsten gab es keine Bereitschaft, mir welche frei zur Verfügung zu stellen.

Du beschäftigst dich oft mit dem Nationalsozialismus und schreibst ab und an auch Liedtexte darüber. Wie geht es dir dabei, wenn du an die dunklen Seiten unserer Geschichte denkst? 

Für mich persönlich ist es immer eine Belastung, wenn man an dunkle und schlimme Ereignisse erinnert wird. Ich versuche den Blick auf das Schöne zu richten. Aber wenn sich so etwas wie die Geschichte mit dem Löhner-Beda (Librettist, der 1942 in der NS-Zeit im KZ Auschwitz erschlagen wurde; d. Red.) vor mir aufbaut, dann gehe ich es schon mit Demut in der Sache an. 

(c) Konrad Fersterer
(c) Konrad Fersterer

Wie sehr hat dich Corona belastet? Auch, wenn du es nachhaltig betrachtest?

Das weiß ich noch nicht. Es war oder ist für mich im Grunde genommen noch immer eine Ausnahmesituation. Aber Ausnahmesituationen suchen Künstler wie ich. Es geht mir ja nicht um das "Everyday Life", wenn man auf der Bühne steht oder ein Lied schreibt. In einem gewissen Teil ist es auch entgegenkommend, dass man mal Innehalten konnte und man über vieles nachdenken konnte oder gezwungen sein musste es zu tun. Auch kollektiv und meditativ im Moment sein zu können, hatte schon etwas, wo ich mir denke, dass es bereichernd sein könnte für die ganze Welt. Ich hoffe, dass da etwas hängenbleibt, wenn man gemeinsam eine Krise durchlebt. Bei den näheren Erkenntnissen, die wir gewonnen haben, hoffen wir doch, dass es sich wieder mal entspannt. 

 

Es hat viele Einschnitte im Livebereich gegeben und große Konzerte sind immer noch nicht möglich. Du hast eine freiwillige Auszeit von der Bühne genommen. Im Münchner Circus Krone bist du 2016 das letzte Mal vor größerem Publikum aufgetreten. Vermisst du schon die Interaktion mit deinen Fans?

Noch nicht. Die Herbsttournee wurde auf das Frühjahr 2021 verschoben. Da ich lange nicht mehr auf der Bühne war, wird die Zäsur einfach nur ein wenig verlängert. Wenn ich etwas zu tun habe, mich mit etwas beschäftige, also im kreativen Prozess bin, dann ist die Öffentlichkeit immer störend. Lieder zu schreiben ist etwas Intimes. Aber, wenn ich mich dann in das Tour-Leben eingewöhnt habe, ist es immer ein Schock für mich, wenn es zu Ende geht. Und man sich wieder neu orientieren muss und jeden Tag aufsteht und sich fragt: Was mache ich heute eigentlich? Auf Tour ist alles strukturiert und es bleibt zugleich alles andere stehen. Man kann sonst nichts machen. Vor einer Tour habe ich einen riesigen Bammel, muss mich von all den lebenswerten Dingen verabschieden und auch von meinen Freunden. Es wird dauern, bis ich sie alle wiedersehe. Denn selbst auf freien Tagen in einer Tour schlafe ich lieber aus und bin nicht wirklich kommunikativ. Aber ich freue mich, wenn es endlich so weit sein wird!

(c) Stefan Wascher
(c) Stefan Wascher

Der Song Eiweiß fiel dir beim Skifahren ein. Gibt es bei dir Momente, wo du ein schlechtes Gefühl hast, wenn du z.B. ein Steak verspeist, dass zu viele CO2-Emissionen verursachte?

Es geht in diesem Song ja nicht um Menschen wie mich, sondern um einen Eisbären. Ich habe großen Respekt vor VegetarierInnen und vegan lebenden Menschen und finde es einen sehr guten Ansatz, wenn man mit der Ernährung einen Beitrag leistet, dass die Welt eine lebenswertere und bessere wird. Aber es gibt einfach Lebewesen und es ist ein ewiges Fressen und gefressen werden, wo es keinen Sinn macht, wenn man versucht sie vegetarisch zu ernähren. Ich habe ein paar Bekannte, die Haustiere wie Katzen haben. Diese vegetarisch zu ernähren ist, wie ich finde, eine Tierquälerei. Aus der Kombination eines immer enger werdenden Lebenskreislaufes, wo manche Tiere wie der Eisbär von der Polkappenschmelze bedroht sind, wird es auch für sie immer enger, was die Lebensmittelkette betrifft. Und das geht weit über die Bedürfnisse des Menschen hinaus. 

 

Du hast du auch gesagt, dass du den Song Freunde nicht live spielen willst. Warum?

Das spielt schon vom Personal her eine Rolle. Ich werde sicher nicht mit dem Andreas Schager und mit dem Rapper Dame auf Tour gehen können, weil die wohl andere Verpflichtungen haben werden. Es ist zudem die Heftigkeit des Songs, die mir schon beim Schreiben und beim Einsingen, Schwierigkeiten bereitete. Und dann erst, wenn ich denke, dass sich 2000 Leute oder mehr auf dieses Thema (NS-Zeit; d. Red.) einlassen sollen. Inzwischen bin ich aber schon so weit, dass es mich zuckt, zu schauen, wie wir es umsetzen können und ob wir die Kraft dazu haben und es dem Publikum zumuten können. 

(c) Konrad Fersterer
(c) Konrad Fersterer

Du hast schon viele Stile ausprobiert. Man denke nur an Koa Hiatamadl und so weiter. Gibt es vielleicht doch noch einen Bereich, der dich reizen würde? Ich habe in einem Interview gelesen, dass es ein Lied mit orientalischem Einschlag nicht schaffte auf die Platte zu kommen. Könnte es erneut in diese Richtung gehen?

Nein. Meine Erfahrung über all die Jahre ist, wo ich auch Crossover-Geschichten gemacht habe: Schuster, bleibe bei deinen Leisten! Mir geht es selbst beim Blues so. Ich liebe den Blues und ich singe auch gerne Blues. Aber ich bin nicht schwarz, habe diese Geschichte nicht in mir. Ich kann mir die Songtexte durchlesen, kann sie mir anhören, aber ich werde immer der Zweite sein. Es fühlt sich ein wenig wie Blackfacing (weiße Darsteller schlüpfen in die Rolle schwarzer Darsteller im Theater; d. Red.) an. Und so ist es auch bei allen Genres. Ich glaube, da muss man wirklich aufpassen, dass man dies nicht aus Jux und Tollerei macht. Es kommt dann wie in einem Faschingskostüm rüber. Die MusikerInnen, die dieses Element einbringen und, wenn es sich mit meiner Geschichte und mit meiner Musik verbinden lässt, dann finde ich es toll. Aber dazu brauche ich Leute, die dieses Andere verkörpern. Ich will einfach nicht beide Rollen spielen. 

 

Wie ist es bei dir so privat mit der Musik? Gibt es eine Künstlerin oder einen Künstler, den du gerne hörst?

Ich bin ein Romantiker. Ich höre mir gerne Orchester an, ich mag Mahler, Brahms und Bruckner. Mag auch das Neujahrskonzert, obwohl es mittlerweile nicht mehr das ist, wie es früher einmal war. Da bin ich einfach ein Traditionalist und erinnere ich mich gerne an die Zeiten zurück, als Willy Boskovsky dirigierte, bevor sich die Stardirigenten draufgesetzt haben. Ansonsten fällt mir nur Helge Schneider ein. Den liebe ich einfach. Ich höre generell gerne etwas, das anders als meine Musik ist. Einfach um zu schauen und hören, was die Welt sonst noch zu bieten hat.   

INTERVIEW in der Printausgabe POPMAGAZIN Herbst '20